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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 31. Mai 2020
- Category: Kirchenporträts
Tägliche Kirche, Nr. 71, St. Trinitatis, Propstei, Leipzig
St. Trinitatis, die Propsteikirche, in Leipzig ist heute mein Pfingstbeitrag und eine Art Rückeroberung der Innenstadt. Nicht nur, dass dort seit langem ein großes Kirchenbauprojekt im Osten Deutschlands realisiert wurde. Hinzu kommt, dass diese Kirche fast an bestmöglicher Stelle steht am (Innenstadt-)Ring. Ob die Kirche gefällt oder nicht sie ist ein Signal. War der Vorgängerbau an den Rand der Stadt gedrängt worden, so wie dies in Rostock und sicherlich auch anderswo in der DDR geschah, kommt nun das Selbstbewusstsein zurück.
Vorgängerbauten
Die erste neugotische Propsteikirche war auch der erste katholische Sakralbau nach der Reformation in der Handelsstadt, dabei hatte die Gemeinde bereits seit 1710 bestanden. Geplant durch den Architekten und Denkmalpfleger Carl Alexander Heideloff (1789-1865), der u.a. für den bayrischen Hof in Nürnberg tätig war. Seine Sakral-Architekturen stellten eine besonders filigrane (Neu-) Gotik dar. Folgerichtig war auch die katholische Kirche in Leipzig eine feingliedrige dreischiffige Halle mit schmalen Portalturm. Kriegszerstört wurde die Kirche schließlich 1954 gesprengt. Doch durfte die Gemeinde nicht wie erhofft auf dem Grundstück bauen.
Schließlich erhielt man Baugrund in der fern vom Zentrum gelegenen Emil-Fuchs-Straße. Zwar war das Gelände an einem Parkgelände idyllisch gelegen, doch deshalb auch dem Stadtgeschehen entzogen. Kirchliches Leben war hier in Privatissimum. Zudem entstand der, durch die Staatliche Bauakademie in Berlin projektierte, Stahlskelettbetonbau mit niedrigem Glockenturm erst ab 1979. Und wurde insofern 1982 eingeweiht. Somit war die Gemeinde in der Zwischenzeit wandernde Kirche. Aus heutiger Sicht war der Bau von Beginn an mangelhaft. Wenige Jahre nach der Einweihung war bereits Feuchtigkeit in das Fundament gekommen. Eine Sanierung wäre nicht mehr wirtschaftlich gewesen.
Der Weg zum Neubau
Schließlich suchte die, seit 1923 durch Bischof Dr. Christian Schreiber, zur Propstei erhobene Kirchengemeinde ein neues Baugrundstück. Anfänglich wollte man das unbebaute Grundstück der 1. Kirche, doch dieses war bereits verplant. Daher fiel die Wahl auf ein spitz-dreieckiges Grundstück gegenüber dem neuen Rathaus. Neben den sachlichen Anforderungen war der anspruchsvolle Zuschnitt mit der prominenten Lage in Einklang zu bringen. Aus einem Wettbewerb ging das Leipziger Büro Schulz und Schulz als Sieger hervor. Zweit plaziert waren Allmann Wappner Sattler (Link zur Projektseite) aus München, die 2000 die neue Herz-Jesu-Kirche in München errichtet hatten. Ebenfalls aus der Bayrischen Hauptstadt kamen die Drittplazierten, Meck-Architekten (Link zur Projektseite), sie schufen 2018 die neue Kirche Sel. Rupert Mayer in München. Die Sieger hingegen scheinen zuvor keine großen Kirchenbauten realisiert zu haben. Dennoch ist die Zufriedenheit der Gemeinde und des Bistums mit dem Bau offenkundig.
Außenbau
Es entstand eine Anlage deren Hülle mit roten Rochlitzer Porphyr verkleidet ist. Damit entsteht in der Materialität ein Bezug zur Gegend wie beispielsweise beim Grassi-Museum auch. Das ganze Grundstück wurde überbaut und somit ist die Bauform eine Mischung aus offenem und abgegrenztem Raum. Ein großer Glockenturm steht wie ein Signum an der Spitze im Westen. Der Kirchenraum gegenüber hat einen trapezförmigen Grundriss.
Über den Pfarrhof, der zu den beiden seitlichen Straßen hin offen ist und somit als Passerelle dient, gelangt man in die Kirche, zu den Gemeinderäumen, dem Pfarrhaus und am westlichen Ende der Anlagen zu dem Gemeindesaal.
Die Wandgliederung und die Fensterbänder des Komplexes betonen die Horizontale und binden die Kirche somit symbolisch an die Erde. 2015 weihte Bischof Dr. Heiner Koch die Kirche. Danach konnte sich St. Trinitatis beim Deutschen Katholikentag in Leipzig einer großen Öffentlichkeit vorstellen und war ein Zentrum des 100. Katholikentreffens.
Der Innenraum
Die architektonische Klarheit prägt überdies die Kirche im Inneren. Ebenfalls erhalten die wichtigen liturgischen Orte angemessene Plätze. Direkt am Eingang steht mit dem Grundriss eines Dreiecks der Taufstein, der im Alltag das Weihwasser beinhaltet. Hier fällt sogleich das, den Raum dekorierende, Ornament des Künstlers Jorge Pardo auf. Dies kennzeichnet alle sakralen Orte im Raum.
Dabei erscheint das eigens für die Kirche entwickelte Gebilde nahezu ein organischer Überzug zu sein, der die Hauptstücke verbindet. Zwar ist es mal größer oder kleiner, länger oder breiter doch es bleibt stets das gleiche Motiv. D.h. Altar, Ambo, Kreuz, Beichtraumtüren, Tabernakelschrein, Taufstein u.a. sind damit gekennzeichnet.
Seitenkapelle und Ausstattungen
Während sich der Hauptraum um den Altar ordnet, richtet sich die Nebenkapelle zum Schrank-Vitrinen-Tabernakel hin. Durch das, im gesamten Raum von St. Trinitatis, vorherrschende indirekte Oberlicht erhält dieser Platz die nötige Aufladung.
Auf der L-förmigen Empore befindet sich in der Ecke zur Altarwand die Orgel der Manufactur Vleugels aus Hardheim immerhin über 2700 Pfeifen in 46 Registern ermöglichen eine große Einsatzbreite. Das Prospekt der Orgel erinnert mit den drei Pfeifengruppen nebenher an das Patrozinium.
Ebenso wie die drei schmalen Schauschlitze in der lagen Emporenwand. Diese bergen die Heiligen Öle. Als Pendant befindet sich auf der anderen Seite in einer Nische übrigens das einzige konkrete Kunstwerk, eine Madonna aus den Vorgängerbauten. Darüber hinaus gab es auch für die lange Fensterfläche einen Künstlerwettbewerb.
Diesen gewann der Leipziger Falk Haberkorn. Daher entstanden drei Schichten. In den Kirchenraum hinein stehen auf dem Glas die ersten Verse des Johannesevangeliums. Zum Bürgersteig hin zeigen zwei übereinander geschichtete Scheiben dahingegen mit den beiden Teilen der Heiligen Schrift. Je nach Lichteinfall ist somit entweder das Alte oder Neue Testament für Passanten lesbar.
Fazit
Einerseits ließ mich diese St. Trinitatis Kirche zuerst kalt. Vielleicht war mir der Raum zu bilderarm. Dennoch zieht mich der Ort an und ebenso andere Menschen. Doch jedes Mal, wenn ich darin bin holt mich eine technoide Faszination ein. Dergestalt, dass ich den Raum aktiv und passiv zu erkunden beginne. Abschließend werde ich ruhig. Eine mir völlig unerwartete Erfahrung bei Kirchen. Ob die Propstei-Kirche St. Trinitatis in Leipzig DIE Lösung für die Fragen von Gegenwartskunst und Kirche ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Doch zumindest ist sie ein Anfang.
Weiterführungen
Die Reihe: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/
Die Seite der Propsteigemeinde mit ausführlicher Baugeschichte: https://www.propstei-leipzig.de/gebaeude
Artikel von Tanja Scheffler zur 2. Kirche bei bauwelt.de https://www.bauwelt.de/themen/An-den-Rand-gedraengt-Trinitatiskirche-Emil-Fuchs-Strasse-Leipzig-Propsteigemeinde-2374144.html
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