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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 16 März, 2025
- Category: Kirchenporträts
Von der Verklärung des Herrn, Berlin-Marzahn
Von der Verklärung des Herrn ist ein unüblicher Name für eine Kirche. Doch bei der katholischen Kirche in Marzahn ist vieles besonders. Auf einer Erhöhung unweit der Landsberger Allee steht auf Höhe der Hausnummer 400 ein Komplex von Kirche und Gemeinderäumen. Als die Kirche eingeweiht wurde, 1987, war Berlin geteilt und der Ostteil hieß Hauptstadt der DDR. Dabei verbirgt sich dahinter eine vielschichtige Geschichte. Die ich in den letzen zwei Wochen (im Februar 2025) im Rahmen einer Senioren-Universität präsentieren konnte. Und bevor ich das alles wieder vergesse, schreibe ich darüber.
Marzahn und die katholische Gemeinde
Im Rahmen der askanischen Besiedlung der Mark Brandenburg scheint auch das ursprüngliche Dorf Marzahn gegründet worden zu sein, so um 1230. Erste urkundliche Erwähnung findet es im Landbuch Karls IV, 1375. Jahrhundert lang war es ein landwirtschaftliches Dorf. Selbst nach der Eingemeindung nach Groß-Berlin, 1920, waren es nur wenig mehr als 1000 Einwohner. 1971 wurde auf dem SED-Parteitag beschlossen, dass u.a. in Marzahn eine Großwohnsiedlung entstehen sollte, um die Wohnungsnot zu reduzieren. Die ersten Arbeiten begannen Mitte der 1970er Jahre. Schließlich lebten um 1990 bis zu 160.000 Menschen in dem neuen Stadtbezirk.

CC BY-NC-SA @ Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf, Foto: Vera und Dieter Breitenborn, 1977
unter: https://berlin.museum-digital.de/singleimage?imagenr=14 (16.3.25)
Die Gemeinde entsteht
Pfarrlich zählte der Ort Marzahn zur Gemeinde in Biesdorf-Nord, Maria Königin des Friedens, dort gab es zunächst eine Kapelle im Wohnhaus und schließlich ebenfalls eine „Limex-Kirche“. Bereits Ende der 1970er Jahre setzte sich der Berliner Bischof Alfred Kardinal Bengsch für den Bau in dem großen neuen Stadtteil ein. Seit 1981 gab es für das wachsende Marzahn einen eigenen katholischen Priester, Peter Kaschubowski. Der sammelte die hinzuziehenden Katholiken um sich und bildete Gemeinde. Zunächst feierte man Gottesdienste in der evangelischen Kirche am alten Dorfkern. Später kam wohl ein Bungalow hinzu, den Grund überließ eine Dame aus der Gemeinde.
Dort konnten Gruppenstunden u. ä. abgehalten werden. Anfänglich wurden weiterhin Angebot in de Räumen der Mutterpfarrei in der Oberfeldstraße in Biesdorf gemacht. Im Rahmen des Sonderbauprogramms der Kirchen II, konnte nun ein Sakralbau für die neue Großwohnsiedlung in Marzahn entstehen. Da um 1986 schon Teile des Gemeinde- und Pfarrhauses fertig gestellt waren, konnte dort im Pfarrsaal eine Interimskapelle eingerichtet und Gottesdienst gefeiert werden.

Die Sonderbauprogramme der Kirchen in der DDR
Mitte der 1970er Jahre kam es zu Gesprächen der beiden großen christlichen Kirchen mit dem DDR-Staat. Dabei ging es schließlich um Bauleistungen für die Kirchen durch staatliche Betriebe. Das Interesse daran war kirchlicherseits groß, da in der Mangelwirtschaft wenig für eigene Projekte übrig war. D.h. weder Material noch Arbeitsleistung, Planungskapazität oder Baugrund, gab es im ausreichenden Maße. Zudem brauchte man die Kirche als Träger gesundheitlicher Einrichtungen, wie bspw. Krankenhäusern und Heimen. Somit entstand das Geschäftsmodell, dass die staatlichen Systeme für kirchliche Projekte zur Verfügung standen bzw. arbeiteten. Dafür wurde durch die Kirchen in der BRD in Westmark bezahlt. Also eine verbaute DDR-Mark war nun das vier- bis fünffache Wert als üblich.
Die Kirchen in der DDR erhielten Bauleistungen, wie Instandsetzung, Erweiterungen und Neubauten und der Staat die dringend notwendigen Devisen, um die sozialistische Wirtschaft zu stützen. Es gab insgesamt vier angedachte Sonderbauprogramme für die Kirchen, I: 1976-79, II: 1980-84, III: 1985-90 und angedacht IV: 1990-94. Für jeden Mehrjahresplan waren besondere Ziele ausgemacht bzw. in Aussicht gestellt. So durften vor allem im II. Sonderbauprogramm Kirchen in neuen Siedlungsgebieten DDR-weit errichtet werden. Daraus stammen übrigens alle vier post-modernen DDR-Kirchen in Ost-Berlin.
Das sind die Kirche Zum Guten Hirten in Alt-Friedrichsfelde (geweiht 1984), Maria Königin des Friedens, Biesdorf Nord (1985), Von der Verklärung des Herrn (1987), Marzahn und schließlich Heilig Kreuz Hohenschönhausen (1988)
Architekten und der Weg zum Bau
Aus heutiger Sicht erscheint die Frage, wer plante und baute die Kirchenbauvorhaben, unspektakulär. Dabei war es im „realexistierenden Sozialismus“ längs nicht klar. Denn die großen Architekturbüros waren als Kollektive verstaatlicht. Baubetriebe als VEBs oder PGH unter staatlicher Kontrolle und deren Arbeitsleistung ebenfalls zugeteilt. Außerdem gab es Mangel an Material. Auch deswegen brachte die Zusammenarbeit von DDR-Administration und Kirchen Vorteile. Zwar gab es bei den Kirchen längst kleine Bauabteilungen oder auch die DDR weit agierende Bauhütte Albertuns Magnus und der dem Dach der Caritas, doch auch dort musste man zu viele Löcher mit zu wenig Möglichkeiten stopfen. Durch die Sonderbauprogramme der Limex-Bau Export-Import, einem staatlichen Außenhandelsbetrieb (AHB), erhielt man sozusagen alle Leistungen aus einer Hand, gegen Devisen.

Für die Planung zog man die Staatliche Bauakademie heran. Zwar war bis zum Ende der DDR die Hauptaufgabe Wohnungen zu bauen, doch mit dem Bereich Muster- und Experimentalprojekt (MEP) hatte man Architekten und Ingenieure für die Sonderaufgaben. In Bezug auf die katholischen Kirchen ist bekannt, dass sich die Planer ausgiebig mit den Gemeinden und Pfarrern auseinandersetzen. Gemeinsam erarbeitete man die neuen Kirchen in der DDR. Dies lag u.a. daran, dass die Ausbildung der Architekten keine Erfahrung mit dem Gebiet Sakralbau hatten, da dies weder gelehrt noch nachgefragt wurde.

Die realisierte Kirche von der Verklärung des Herrn und ihre Ausstattung
Schließlich realisierte das MEP und Leitung von Hermann Korneli die größte der katholischen Kirchen im SBP, Von der Verklärung des Herrn in Berlin-Marzahn. Der Bau wurde vom Kreisbaubetrieb Calau ausgeführt. Für die Valuta-Projekte mussten freie Kapazitäten im Bauwesen gefunden bzw. geschaffen werden. Als Bauplatz hatte man nun eine leichte Anhöhe an der heutige Landsberger Allee erhalten. Somit lag die Kirche außerhalb der eigentlichen Großwohnsiedlung, jedoch sichtbar an einer großen Ein- und Ausfallstraße. Es soll auf die Ministerin für Volksbildung der DDR, Margot Honnecker, zurückzuführen sein. Da sie einen Standort nahe von Schulbauten abgelehnt haben soll – den die Jugend sollte nicht eine Kirche vor der Nase haben. Denn Christliche Weltanschauung passte nicht zu sozialistischer Bildungsideologie.

Von der Verklärung des Herrn entsteht
Dort feierte man im Jahr 1984 die Grundsteinlegung für einen Gemeindekomplex. Im Oktober 1987 weihte der damalige Bischof von Berlin Joachim Kardinal Meisner die Kirche. Als Hauptraum einer fast 2400qm bebauten Fläche fächert sich der Kirchenraum in drei Schiffe auf. Die Kirche ist geostet und im Norden schließt ein 27m hoher Turm mit drei Glocken. Dabei sind die beiden Seitenschiffe unterschiedlich hoch, so dass sich zwei unterschiedliche Höhen bei den Obergadenfenstern ergeben. Dabei gibt ein drei-zeiliges Nordfenster den Blick auf den Turm frei.

Die gesamte Wandkonstruktion ist ein Stahlskelettbau, mit Ziegel ausgefacht. Klinker bilden die Außenwand, hingegen sind die Innenwandflächen weiß verputzt. Außerdem ist der Fußboden hell gefliest. Somit erhält der Sakralraum viel natürliches Licht und ist freundlich hell und weitläufig. Die Holzdecke und Möblierung sorgen, übrigens, für ausreichend „Wärme“ in der Raumgestaltung. Außerdem sind alle Fenster mit Klarglas ausgestattet und ebenfalls seitlich im Kirchenraum angeordnet, um eine Streifbelichtung zu ermöglichen. Die moderne Konstruktion erlaubt stützenfreie Übergänge zwischen den Bereichen der Kirche.

Das nördliche Seitenschiff sollte zunächst als Werktagskapelle dienen. Jedoch wurde dort schon vor der Kirchweihe auf Marienkapelle umgeschwenkt. Die andere Seitenkapelle ist die Taufkapelle. Der Hauptraum fungiert als Eucharistiekirche. Zwar sind allen Funktionen architektonisch unterteilt, jedoch verbinden sich die Orte. So sind ebenso die Vorderbereiche mit dem Altarraum verbunden.

Von der Verklärung des Herrn: Die Ausstattung
Ursprünglich war das Hauptkunstwerk an der Chorwand ein Bildteppich von Wiebke Heinrich (Jg. 1940) aus Halle. Davor war an der Wand eine Leihgabe aus dem Bestand der St.-Hedwigs-Kathedrale. Der Gobelin von 1987 stellte die Taufe, die Verklärung und die Kreuzigung Jesu dar und bot einen Bezug zum Patrozinium.

Das Hauptkunstwerk von Perathoner
Seit 1998 kam der Korpus Christi von Hans Perathoner aus dem Jahr 1930 in die Kirchen. Die mehr als 4 m große Skulptur stammt, ursprünglich aus St. Martin Berlin-Kaulsdorf. Aufgrund des ersten großen Moderne-Kunstskandals im katholischen Berlin entfernte man die Darstellung von dort bereits 1931. Zwischenzeitlich hing der Korpus nach dem Zweiten Weltkrieg in der evangelischen Hoffnungskirche in Berlin-Pankow. Als dieser Jugendstilbau rekonstruiert wurde, gelangte das Kunstwerk des einstigen Berliner Professors nach Marzahn. Dort hat es ausreichend Raum, um zu wirken. Der uns entgegenspringende Jesus beherrscht den Raum.

Prinzipalien – Die Hauptstücke
Die Hauptstücke, d.h. Altar, Podest für die Marienfigur und vermutlich die Sitzmöbel sind Werke des Architekten Korneli. Der Tabernakel im Übergang zum nördlichen Trapezflügel stammt vom Künstler Thomas Kehrt. Es ist ein silberner Schrein, auf dessen Tür ein Kreuzsymbol aufgebracht ist. Umgeben von Strahlen wirkt das Motiv hinter der Kreuzapplikation wie ein stilisierter Berliner Fernsehturm.


In der Marienkapelle befindet sich eine Muttergottes mit Kind. Diese wurde von einem unbekannten Künstler aus dem Eichsfeld für die Kirche geschaffen. Auf das Lindenholz soll der Bildhauer eine Weile gewartet haben. Erst als im thüringischen Grenzstreifen für Erweiterung Linden gefällt wurden gab es wieder Holz. Zudem war eigentlich eine Figur im romanische Stil gefordert. Schließlich kam dieses Geschenk in die Kirche. Für mich etwas zu lieblich und kitschig für den sonst schlichten Kirchenraum.


Neben dem Schlichten Taufbecken, einer Ständerkonstruktion aus Holz mit metallener Taufschale, die ich stilistisch ebenfalls Korneli zuordne, befindet sich eine Johannesminne. Zwar wird erzählt, dass es sich um eine echte Schnitzarbeit aus dem Mittelalter handelt, jedoch ist es ein Gipsabguss aus Berlin. Dargestellt ist die berühmte Johannes-Minne, also eine Jesus-Johannes-Gruppe aus dem Berliner Bode-Museum, von 1310. Der Lieblingsjünger, der an der Schulter Jesu ruht ist ein beliebtes Motiv in süddeutsche Frauenklöstern des Mittelalters. Unser Werk dort ist eine Spende der ehemaligen Bayerische Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Prof. Ursula Männl. Bis heute kann dieses Bildwerk bei der Gipsformerei der Staatliche Museen zu Berlin für 9.900 € bestellt werden.
Die Orgel ist, übrigens, ein für die Kirche aus Baden-Württemberg erworbenes Instrument der Firma Walcker, Ludwigsburg aus den 1960er Jahren. Für Von der Verklärung des Herrn, wurde die Orgel 1999 erweitert und hat nun 20 Register mit zwei Manualen und einem Pedal. Die Kirche ist ein beliebter Konzertort.

Von der Verklärung des Herrn und der Kreuzweg
Schließlich noch der Kreuzweg: Dieser ist ebenfalls ein Kunstwerk genau für diese Kirche. Mit ihr ist die Reliefarbeit aus Zement verwachsen. In einem Bild fügt der Berliner Künstler Werner Frischmuth (1924-1990) 16 Stationen zu einem Kreuzweg. Dabei gelingt dem bekennenden Nichtchristen eine Synthese aus Zeitgeschichte, Stadtumfeld und der Passion Christi. Mehrere Jahre arbeitete Frischmuth an der Konzeption, um das Werk kurz vor seinem Tod fertig zu stellen. Den Beginn macht eine Darstellung der Verklärung des Herrn, die 14 Stationen dazwischen zeigen Gesellschaftskritik ebenso wie ein Selbstbild des Schöpfers mit Frau.
Beeindruckend sind einige Grundlegungen, z.B., erhielten Jesus und seine Freunde eine eindeutige Schraffur. Außerdem ist die Szene der Kreuzigung rechts der Friesmitte ein Eyecatcher, der den Betrachter ins Bild holt und somit in das Passionsgeschehen mitten in Ostberlin, Ende der 1980er Jahre. Dazu passt es, dass in einem Bezirk aus Beton, Zement zum Werkstoff des Kreuzwegs gemacht wurde.



Von der Verklärung des Herrn: Würdigung
Am Ende der DDR-Diktatur entstand im Vorzeige-Neubaugebiet Berlin-Marzahn bis 1987 eine Katholische Kirche. Schließlich kam im Norden 1989 eine weitere evangelische Kirche hinzu. Von der Verklärung des Herrn ist einer der wenigen Sakralbaute aus einer besonderen Zeitschicht. Die größte Kirche im SBP bietet nicht nur alles, was eine Gemeinde braucht. Sie hat Weite, Licht und Schlichtheit zu bieten. Zwar gibt es den Makel der Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit dem DDR-Staat, jedoch war der Handel beiden Seiten hilfreich und für die Kirchen die Chance wichtige Orte zu entwickeln. Bis heute ist es ein lebhafter Ort, der die Besucher umarmt und Konzentration und Kontemplation bieten kann. Zum Glück durfte ich diese Kirche vor kurzem neu entdecken!

Somit stimmen die Worte von Bischof Meisner zur Konsekration immer noch: Das neue Gotteshaus dürfe keine „exklusive Datscha für ein frommes Wochenende“ werden […]. Vielmehr müsse sie ei offenes Haus sein. (KNA-Meldung Inland Nr. 256, Montag, 2. November 1987)

Alle Fotos, wenn nicht anders bezeichnet, K. Manthey 2025
Von der Verklärung des Herrn – Weiterleitungen
Hier die Kirchenseite auf der Internetpräsenz der Pfarrei St. Hildegard von Bingen:
https://www.st-hildegard-von-bingen.de/seite/577651/gemeindekirche.html
Der Eintrag bei wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_von_der_Verklärung_des_Herrn
Über die Geschichte der nahegelegenen Marzahner Promenade:
https://marzahner-promenade.berlin/index.php/historie.html
Mehr über die Orgel, bei organindex.de:
https://organindex.de/index.php?title=Berlin/Marzahn,_Verklärung_des_Herrn
Über die Kirche Von der Verklärung des Herrn auf allekirchenberlins:
https://allekirchenberlins.wordpress.com/2017/12/17/131-kirche-von-der-verklaerung-des-herrn-marzahn/
Interview mit dem Architekten Marzahns Prof. Eisentraut beim inforadio des rbb:
https://www.inforadio.de/rubriken/wissen/geschichte/2023/12/berlin-ausstellungen-ddr-architektur-wolf-r-eisentraut-kolonialismus-koloniale-spuren.html