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Herz Jesu, Kolumbarium, Garz auf Rügen

Herz Jesu in Garz auf Rügen habe ich 2017 besucht. Dort war damals eine Jurysitzung anberaumt. Dabei ging es um die Neunutzung der Kirche. Herz Jesu liegt nicht in Strandlage, sondern dort wo wenige Touristen verweilen. 1913 wurde sie für die Landarbeiter errichtet. Sie ist ein Kind des ersten Rügener Pfarrers Maximilian Kaller, dem späteren Pfarrer von St. Michael Berlin-Mitte, Prälaten der Freien Prälatur Schneidemühl und Bischof von Ermland. Der projektierende Architekt war ebenfalls kein Unbekannter.

Die Garzer Kirche von der Straße aus gesehen (Q: alle nicht extra gekennzeichneten Bilder: K. Manthey, 2017)

Architekt und Höhenstaffelung an Herz Jesu

Es war übrigens der Berliner August Kaufhold (interner Link zu Beiträgen über Kaufhold), dieser schuf mit dem Kirchlein darüber hinaus einen Prototypen für den Berliner Kirchenbau. Denn seither gibt es mehrere Kirchen aus Backstein und ebenfalls mit einer Höhenstaffelung der Bauteile wie in Garz.

Seitenansicht auf die Kirche mit der Staffelung der Höhe vom Frontgiebel bis hin zum Chor

Die drei mir bekannten Kirchen dieser Bauidee sind St. Joseph in Lindow von Wilhelm Fahlbusch, St. Theresia vom Kinde Jesu in Finow von Josef Bachem sowie Herz Jesu in Reppen (heute Polen) von Carl Kühn. (interner Link zu einem Vergleich der vier Kirchen) Alle stammen aus den frühen 1930er Jahren und sind ein vorsichtiger Diasporareflex der Moderne. Da Türme teuer waren und vom geldgebenden Bonifatiusverein nicht gestattet, zogen hier die Architekten am Ende der Planungen den Frontgiebel in die Höhe, fast wie ein Turm. Übrigens diese von mir als Vorbild interpretierte Giebelturmlösung, war ursprünglich sogar als deutlicher kleinerer Turm mit spitzem Helm geplant. Doch zurück zu Kaufholds Kirche auf der größten Insel Deutschlands. Dort ist sie eine von vier Kirchen auf dem großflächigen Eiland.

Bau- und Gemeindegeschichte von Herz Jesu Garz

Einst war Garz das landwirtschaftliche Zentrum der Insel und Pfarrer Kaller rechnete mit den polnischen Schnittern die auf der Insel arbeiteten. 500 Gottesdienstbesucher waren sonntäglich geplant. Nach dem zweiten Weltkrieg waren über 1000 Katholiken in dem Gemeindegebiet bei Auflösung der Kuratie gab es noch 300 Personen im Sprengel. Mittlerweile ist Rügen schon lange nicht mehr so „abgehängt“ wie es vielleicht noch in den 1990er den Anschein hatte. Mit viel Engagement wurde die Kirche 2013/2014 durch das Büro des Stralsunder Architekten Burkhardt Eriksson Denkmal gerecht saniert.

Herz Jesu vor der Sanierung, Fotoaufnahme um 1998 (Q: Bildarchiv der Kunstbeauftragten EBO)

Dabei baute man verschiedene Eingriffe aus den Jahren zwischen 1960 und 70 wieder zurück. So wurden die Apsisfenster neu geöffnet und die ursprüngliche Farbigkeit nach Restauratorenbefund wieder hergestellt.

Blick von der Empore in die sanierte Kirche
Die nach Befund farbig wieder hergestellte Emporenbrüstung

Das Kolumbarium von Evelyn Körber

Nun hatte man noch mehr Gründe etwas neues für den Sakralbau in Garz zu wagen. Mittlerweile ist es klar: ein Kolumbarium ist geplant, die Genehmigung des Landes ist erteilt. Nach einer Weile Stillstand kam es nun zu einem Wettbewerb. Die Jurysitzung zur Auswahl war mein Grund nach Garz zu reisen, daher meine Impressionen der Kirche. Schließlich gewann die Künstlerin Evelyn Körber den Entscheid für sich. Sie hatte bereits das erste Kolumbarium Mitteldeutschlands in der Allerheiligenkirche Erfurt, 2007, gestaltet. Dort wurde es zu einem großen Erfolg und man entschied mit der Magdalenen-Kapelle ein weiteres Kolumbarium durch Körber einrichten zu lassen. Während in Erfurt Stelen für die Urnen angelegt wurden, entschied sich die Künstlerin in Garz hingegen für eine andere Lösung. Dort nehmen die horizontalen Urnenfeldern den Rhythmus der restlichen Bänke auf. Somit werden die Verstorbenen in die „Sitz-Reihen“ eingebunden. Der Grund der unter jeder Urne besteht übrigens aus feinen (Ostsee-)Sand.

Ausblick und Würdigung der Gestaltung von Herz Jesu Garz

Zwar ist man auf der größten deutschen Insel noch wirtschaftlich nicht so erfolgreich wie in der thüringischen Landeshauptstadt. Dennoch entstand ein gelungenes, eingefügtes Ensemble aus Totengedenken und geistigem Leben. Dafür ging die Künstlerin Evelyn Körber sehr einfühlsam mit dem vorhandenen räumlichen Gegebenheiten um. Sie ist nicht kirchlich sozialisiert, vielleicht ist ihre Kunst im sakralen Raum daher so erfolgreich. Sie nimmt die Situation wahr, ihre Lösungen überfordern nicht und bieten dennoch hohe künstlerische Qualität. Wer Rügen besucht sollte sich ebenso Zeit für das Binnenland nehmen und u.a. Herz Jesu in Garz besuchen.

Links

Seite der Begräbniskirche auf der Homepage der Gemeinde:
https://www.heiliger-bernhard.de/page/81/begräbniskirche-der-herz-jesu-kirche-garz

Eine weitere katholische Kirche der Insel, mit anderem Hintergrund.

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