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Molkenmarkt – archäologische Fundgrube (XX.XII.)

Der Molkenmarkt in Berlin ist derzeit eine der spannendsten Baustellen Berlins. Dort soll nach langem hin und her wieder ein Mitte entstehen. An der Stelle die zur Keimzelle der Stadt Berlin zählt und somit seit gut 800 Jahren besteht. Es war der Alte Markt, dort wurde schon lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung Berlins (1244, Cölln: 1237) gehandelt und gefeilscht. Direkt hinter dem Roten Rathaus, wo nach dem Zweiten Weltkrieg für Ost-Berlin eine große Verkehrsfläche am Schnittpunkt Spandauer und Leipziger entstand, soll nun ein zentrales Quartier entstehen. Endlich soll es dann Wohnen und Arbeiten in Mitte geben. Als Projektpartner agieren u.a. Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin sowie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Es gibt Beteiligungsformate und viel Diskussionen über das richtige vorgehen. Gleich wie irgendwann haben wir dort ein neue Innenstadtquartier, ob es dann passt oder aus dem Rahmen fällt werden wir sehen.

Der Molkenmarkt aus der Luft 2024
Q: © SenStadt, Falcon CrestAir/Luftbild Blickrichtung Nord, unter:
https://molkenmarkt.berlin.de/2024/11/01/machbarkeitsstudie-mobilitaet-regenwassermanagement-und-freiraum-liegt-vor/
(Zugriff: 20.12.2024)

Archäologische Ausgrabungen am Molkenmarkt

Wenn an historischen Orten gebaut wird, ist die Archäologie glücklicherweise nicht weit. Finden Baufirmen etwas historisch verdächtiges wird das Landesdenkmalamt informiert, dann kommen die Archäologen aus der Bodendenkmalpflege. Mir kam der Molkenmarkt erstmals in den Sinn, als Anfang 2022 ein sehr gut erhaltener Bohlendamm entdeckt wurde, also eine erste befestigte Straße aus Holz.

Der Bohlendamm am Molkenmarkt, Ausgrabung im Januar 2022, Foto: K. Manthey

Mittlerweile gibt es mehr als 600.000 Funde an dieser Stelle. Das reicht von der Bruchstücke, wie ein Fliesenfragment vom Roten Rathaus über ein japanisches Kurzschwert aus dem 17. Jahrhundert, bis hin zu ganzen Kellern oder sogar Straßenanlagen. Vor kurzem nun machte wieder ein Fund Schlagzeilen. Es waren Kleinfiguren aus Ton. Darunter eine besonders gut erhaltene Darstellung der Hl. Katharina von Alexandria.

Die Figur der Hl. Katharina, Q: LDA Berlin, Foto: Julia-Marlen Schiefelbein, unter: https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/aktivitaeten/reliquiare-und-heilige-am-molkenmarkt-1511905.php (Zugriff: 20.12.2024)

Katharina von Alexandria

Die besonders im Mittelalter als eine der 14 Nothelfer verehrt wurde. Sie ist legendär und soll als Königstochter um 300 gelebt haben. Bekannt ist sie für Ihre Diskussion mit 50 Philosophen, die sie schließlich vom Christentum überzeugt. Dies geschah in Folge ihrer Verweigerung gegenüber dem römischen Kaiser, den Götzen zu opfern. Mit ihren Erfolgen, denn nun ließen sich viele Ihrer Widersacher taufen, erzürnte sie Kaiser Maxentius. Dieser ließ sie Rädern worauf hin das Folterwerkzeug zerbrach und später zu dem Attribut der Heiligen wurde. Schließlich jedoch wurde Katharina geköpft und erlitt der Märtyrertod. 

Die Figur der Hl. Katharina, Detail, Q: LDA Berlin, Foto: Julia-Marlen Schiefelbein (unter: a.o.O.)

Verehrung der Hl. Katharina

Im späten Mittelalter erhielt die Verehrung einen weiteren Schub. Ob ihrer Gelehrtheit wurde Katharina zum Vorbild für ein kontemplatives Leben. Unzählige Sakralbauten tragen ihren Namen, zumindest als weitere Titulatur. Zudem ist sie u.a. Patronin der Ritter. Am Ende der Mittelalters schließlich entstand die Legende der mystischen Vermählung auf. In einem Traum sei ihr das Jesuskind auf dem Arm seiner Mutter begegnet. Dieser habe Katharina einen Vermählungsring an gesteckt und sie als Jungfrau geweiht. Seither gilt sie als die größte der heiligen Jungfrauen. Am 25.11. dem „Kathreintag“ mussten alle Räder ruhen. Außerdem wurde dann die Adventszeit eingeleitet, bspw. mit dem Tanzverbot bis Weihnachten. Als Nothelferin wurde sie bei Leiden der Zunge und schwerer Sprache angerufen, ebenso betete man zu ihr wenn die Weisheit bim Studieren fehlte. Die Skulptur der heiligen Katharina zeigt sie bekrönt, da mit Jesus vermählt. Sie ist aus weißem Ton und ca. elf Zentimeter hoch und stammt aus dem 15. Jahrhundert.

Weitere Figuren in diesem Fund

Der Figurentorso der Madonna, Q: LDA Berlin, Foto: Julia-Marlen Schiefelbein (unter: a.o.O.)

Zudem fand man am Molkenmarkt eine Madonnenfigur aus derselben Zeit, jedoch ohne Kopf. Diese sieben Zentimeter große Figur trägt links das Jesuskind. Über die Katharina und Maria sagt Dr. Heber, Abteilungsleiter Bodendenkmalpflege im Landesdenkmalamt Berlin:
„Beide Heiligenfiguren sind für den Berliner Raum – und darüber hinaus – im archäologischen Kontext äußerst selten anzutreffen und bieten einen besonderen Einblick in die bürgerliche Frömmigkeit des Spätmittelalters.“ (Pressetext, LDA, 16.10.2024)

Die Keramikstatuetten, Q: LDA Berlin, Foto: Julia-Marlen Schiefelbein (unter: a.o.O.)

Außerdem wurde ein Depot mit Keramikstatuetten wohl aus dem 14. Jahrhundert entdeckt.
Darin fand das Ausgrabungsteam des Landesdenkmalamts Berlin 188 weiblichen Figuren. Diese wiesen weiterhin Einfassungen im Brustbereich auf. Darin sind Knochensplitter nachweisbar. Somit ist davon auszugehen, dass es sich um Reliquien handelte. Zwei Typen sind darunter mit und ohne Krone. Bei den Statuetten gehen die Archäologen von acht Zentimetern Höhe aus. D.h. relativ viele und einfach gestaltete Reliquiare an einem Ort, deuten auf Devotionalien hin. Gut möglich, dass im Zusammenhang der nahegelegenen Nikolai-Kirche dort ein Lager bzw. Handelspunkt für Jedermann-Reliquien war.

Zusammenschau

Dass ich begeistert bin lässt sich leicht erahnen. Auf dem Molkenmarkt werden wir mit der Berliner Geschichte konfrontiert. Ebenso wir bei anderen Ausgrabungen lernen wir hier hautnah von der Lebenswelt der Menschen, die vor uns gelebt haben. Zudem stehen wir dadurch bewusst in einer Traditionslinie mit den früheren Berlinern. Darüber hinaus ist besonders dieser Fund vom 16.10.2024 ein beredtes Beispiel des christlichen Lebens im Mittelalter und zwar der Glaubenspraxis der einfachen Menschen. So lebendig ist die Geschichte und sie holt uns immer wieder ein – wie vor einigen Tagen am Berliner Molkenmarkt.

Links zum Molkenmarkt und darüber hinaus

360° Panorama vom 2022 freigelegten Bohlendamm:
https://molkenmarkt.berlin.de/360/220718-lda

Die webpräsenz zum Geschehen rund um den Molkenmarkt:
https://molkenmarkt.berlin.de/

Meldung zum Fund vom 16.12.2024 beim rbb:
https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/12/berlin-molkenmarkt-figurenfunde-heilige-katharina.html

Der Beitrag dazu auf entwicklungsstadt.de

Über die heilige Katharina:
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienK/Katharina_von_Alexandria.htm

Beiträge zu Mittelalterthemen auf kirchenbauforschung.info (Auswahl)

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