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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 27. Mai 2020
- Category: Kirchenporträts
Tägliche Kirche, Nr. 67, St. Raphael, Berlin-Gatow, abgerissen 2005
St. Raphael in Gatow war ein posthum errichteter Entwurf von Rudolf Schwarz (1897–1961). Die Kirche wurde 2005 profaniert und durch den neuen Besitzer abgerissen. Dieser Verlust sitzt bis heute tief. Rund um die Havel siedelten sich ebenfalls Katholiken an. Dort war zuerst die Spandauer Gemeinde St. Marien und ab 1935 die Filiation St. Wilhelm zuständig. Doch mit einem Ruhestandsgeistlichen konnte zuerst in dessen Privathaus eine Kapelle errichtet werden. Der ersten Pfarrer Georg Jurytko kam 1941 und beförderte das Bauvorhaben. Die Gemeinde blieb bis zum Ende klein. Doch die Kirche war ihr Zentrum dicht an der Havel und an der Dorfkirche Gatow.
Planung und Hintergründe
Die Baupläne stammen indes von Rudolf Schwarz, dem katholischen Kirchenbaumeister. Er war in engem Kontakt zu Romano Guardini (1885-1968). Gemeinsam mit ihm und ebenso seinem Schüler Hans Schwippert (1899-1973) entwickelte Schwarz Kirchenräume für eine neue Liturgie. Durch ihn und seine Mitstreiter bekam der Kirchenbau schließlich eine neue Ausrichtung, die besonders nach dem 2. Weltkrieg zum Durchbruch kam. Der Raum wurde neu gedacht ohne dabei die Tradition der Kirche aus dem Blick zu verlieren. Bereits vor dem letzte Weltkrieg hatte Schwarz verschiedene nicht realisierte Entwürfe für Berlin gemacht. Für Gatow begann Schwarz 1959 mit den Entwurfsarbeiten. Anscheinend war der Austausch mit dem Pfarrer gut. Die Kirche sollte ursprünglich Gedenkkirche für die Opfer des NS in Berlin werden. Dies wurde dann jedoch duch den Bau der Gedenkkirche der deutschen Katholiken, Maria Regina Martyrum, eingelöst.
Der Baukörper
Schwarz nutzte ferner das Quadrat als Grundriss. Somit entstand ein strenger würfelförmiger Bau mit flachem Dach. Der freistehende Turm wurde fürderhin an die Straße gestellt. Er ist Glockenträger und ebenso Torzugang. Während die Wände des Stahlbetonskelettbaus in die leicht hervortretenden Trägern eingehängt gewesen waren, schien der Campanile konventionell errichte.
Die Belichtung des Raumes erfolgte also über einen auf das Wandgerüst aufgesetzten Lichtgaden. Das Verhältnis der Fenster zu der Wandfläche ist mit 5 zu 1 eine althergebrachter Faktor im Kirchenbau. Hier schuf in kühlen Grisailletönen Georg Meistermann ein abstrahierenden Bildzyklus mit dem Thema Dreifaltigkeit, d.h. Darstellungen der Hand Gottes, des Kreuz Christi sowie der Gaben des hl. Geistes.
Die ursprüngliche Gedenkkapelle wurde der Gottesmutter gewidmet. Sie fungierte gleichzeitig als Beichtort und war der Eingang zu kleinen Kirche. Über einen kleinen Windfang war die Sakristei, ebenfalls kubisch auf Quadratgrundriss angeschlossen. Als der Sakralbau 1965 geweiht wurde war Rudolf Schwarz bereits verstorben. Seine Frau Maria (1921-2018) und Werner Michalik besorgten die Realisationsplanung und die Baubetreuung. Was, wie mir Frau Prof. Schwarz mitteilte, im frisch geteilten Berlin eine Herausforderung war.
Innenraum und Ausstattung
Im Innenraum dominierte überdies der Altartisch aus grauem Granit. Dieser hatte eine Blockform und war auch ein Schwarz-Entwurf. Dort erhielt das Fensterband eine größere Trapezförmige Öffnung als Betonung des Ortes. Übrigens die letzte Orgel der Kirche stammte von der Freiburger Orgelbaufirma Späth aus dem Jahr 1987. Die Muttergottes entstand um das Jahr 1930 und hatte hingegen gotische Stilformen. Als Erinnerung an diese Kirche ist überdies das Relief St. Raphael und Tobias in Betonguß von Hans Wachter erhalten geblieben und an der Kladower Kirche zu sehen.
Fazit
Als die Gemeinde St. Raphael schließlich aufgab war noch ein Teilerhalt in Aussicht. Dennoch schuf der neue Besitzer mit der Abrissbirne Fakten und hebelte somit das Urheberrecht aus, dies war ein Schock für alle Beteiligten. St. Raphael war ein einfacher Bau. Hier wurde Liturgie Gestalt, ganz im Sinne von Rudolf Schwarz und seinen Mitstreitern. Heute bleibt uns nur an diese und andere Kirche zu erinnern.
Weiterführungen
Die ganze Reihe: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/
Text bei Bauwelt zur Aufgabe der Kirche, 2005 https://www.bauwelt.de/dl/732815/10805775_ddcc5a2d93.pdf
Biografische Skizze zu Rudolf Schwarz http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/rudolf-schwarz/DE-2086/lido/57c94d23094702.06412014
Ein sehr bedauerlicher Verlust. Es bleibt zu wünschen, dass Menschen und Denkmalschutz die Kirchen der Nachkriegsmoderne mehr achten und schützen.
Ja, das stimmt ich hatte 2013 sogar Gelegenheit mit Maria Schwarz über diesen Bau zu sprechen. Es war eigentlich ein Totalversagen auf allen Ebenen.
Ihr
KM
Gleiches gilt bedauerlicherweise für St. Johannes Capristan in Tempelhof, die im selben Jahr trotz großer Proteste und Teilnehmerzahlen leider abgerissen wurde. Diese Kirche wäre für diese Reihe auch sehr interessant.
Ja, das stimmt, danke für den Tipp zur Aufnahme in die Reihe.