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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 4. Februar 2024
- Category: Kirchenporträts
Flurkapelle, Buchen-Bödigheim
Flurkapelle, was ist das? Wörterbücher benennen dies als (sehr) kleine Kapelle auf einem Feld, in der gebetet werden kann. Diese Feldkapellen auf weiter Flur kenne ich vor allem aus Süddeutschland. Dort befinde ich mich derzeit auf einer Vater-Kind-Kur. In deren Vorbereitung ich natürlich geschaut habe, welche (spannenden) Sakralbauten erlaufbar sind. Darunter war auch die hier thematisierte Flurkapelle, zwischen Seckach, Großeicholzheim (Teil von Seckach) und Bödigheim einem Ortsteil von Buchen im Odenwald. Dort wo das sogenannte „Madonnenländchen“ mit seinen Bildstöcken an christliches Brauchtum erinnert. Neun Studierende errichteten dort schließlich eine zeitgenössische Kapelle. Darüber lässt sich einiges finden, sogar bei „Schöner Wohnen“ erschien ein Beitrag. Ich möchte neben der Geschichte des vor 15 Jahren sehr angesagten Bauwerks, hier wie immer meinen persönlichen Eindruck vorstellen.
Die Geschichte der Flurkapelle
Der langjährige evangelische Pfarrer von Bödigheim, Dankwart Moser-Feesche (1948-2023), hatte zum Ende seiner Dienstzeit die Idee eine ökumenische Kapelle auf weiter Flur zu errichten. Damit wand er sich schließlich an die Architektin Dea Eckert vor Ort. Sie hatte u.a. am Illinois Institute of Technology (IIT) in Chicago studiert und gearbeitet. Dort gründete sie auch ihr erstes Büro, welches nun in Heidelberg und Buchen tätig ist. Über Eckert entstand der Kontakt zu dem deutschstämmigen Architekturprofessor Frank C. Flury am IIT. Zudem gründete der gelernte Zimmermann aus Lörrach in Chicago den Fachbereich „Planen und Umsetzen“ und war immer auf der Suche nach Projekten bei denen die Studierenden von der ersten Idee bis zur Realisierung beteiligt sind. Zwar hatte man noch keine Gelder, jedoch gab es die Ursprungsidee und kreative Köpfe zur Umsetzung. So ergaben sich schließlich ca. 9000 Euro an Geldspenden sowie kostenlos überlassene Materialien zum Bau der Kapelle. Darüber hinaus unterstützte ein Zimmermann aus der Gegend die Bauvorbereitung und das Büro Eckert. Ebenso halfen Landwirte und Anwohner bei der Umsetzung bzw. Unterstützung der Studierenden, beispielsweise mit Verpflegung. Ein schönes Beispiel dafür, was ein sinnhaftes Projekt auslösen kann.
Entstehung und Baubeschreibung
Der Entwurf zur Flurkapelle entstand bereits in Chicago. Mithilfe digitaler Daten planten die neun angehenden Architekt:Innen den Bau als überkonfessionelle Kapelle. Die für Beter, Ruhesuchende und Rastende ein Anlaufpunkt sein sollte. Schließlich entstanden im Sommer 2009 zwei Räume mit je ca. drei mal drei Metern Grundfläche. Auf einem Steinpodest mit längsrechteckigem Grundriss entwickelten die Umsetzenden eine Form, die durchaus an eine Kirche erinnert. Von oben betrachtet sieht die Auteilung der Stützen aus wie die sechs auf einem Würfel. Zwischen den Kanthölzern entstanden verschiedene Holzlattungen, die wie eine Ausfachung die Konstruktion versteiften und tragfähig machten.
Zunächst gibt es einen Vorraum mit gut drei Meter hohen Wänden und einem schmalen Eingang. Darin befindet eine Bank aus dem Brandstein des Podestes. Nun Schließt der Turm an, der 9 Meter hoch ist und dessen oberer Abschluss aus einer offenen Lamellenkonstruktion besteht. Diese erscheint zudem von außen durchlässiger als von Innen, was an der Ausrichtung der eingelegten Lamellen liegt. In dem eigentlichen Sanctum steht nun eine Steinbank mit Holzsitzfläche gegenüber einem schlichten Wandbild mit lateinischem Kreuz (ursprünglich war es ein griechisches Kreuz) in der Mitte. Das Bild wiederum weist eine angedeutete Triptychonsstruktur auf.
Wirkung
Nähert man sich der Flurkapelle, so wie ich zu Fuß von Osten, sind die Wege etwas umständlich. Leider gibt es von der Eberstadter Seite keine direkten Wanderwege, dafür von Seckach und Bödigheim. Gleichwie schon 1,5 km vor dem Ziel konnte ich einen Fernblick erhaschen.
Das machte Lust auf mehr und lies mich die leichten Anhöhen überwinden. Dort angekommen beeindruckt der Turmbau durchaus. Obwohl fast 15 Jahre nach der Errichtung das Holz deutlich gealtert und verwittert ist. Vom honiggelben Holzcharme der Werbefotos aus der Anfangszeit ist wenig übrig. Zumal der mein Besuchstag bewölkt und trüb war.
Dennoch trotz bemooster Holzflächen habe ich mich nach einem gewissen Anfangswiderstand sehr eingefunden. Vor allem das Sitzen im Turmraum hat mich beruhigt und brachte ein Gebet über meine Lippen. Zudem funktioniert die Sektionierung der Orte bei mir sehr gut. Die tempelartigen Zonen habe ich sofort verinnerlich, vom Vorhof, zum Vorraum bis zum Allerheiligsten. So habe ich dann meine Rast auch lieber auf der Bank vor der Kapelle gemacht.
Das Material unbehandeltes Lärchenholz hat also mittlerweile den Charme der Verwitterung erhalten. Zwar ist pures Holz ein Liebling der Architekten, dennoch bleibt die Frage bis wohin ist die Verwitterungsoptik, als eine Art Vergänglichkeitsmethaper (wie ein „Vanitasgemälde“), dem Ort zuträglich. Gleichwie, die Flurkapelle ist ein wunderbares (Sicht-)Zeichen, in schwieriger Zeit wurde ein neuer Anders-Ort geschaffen. Dafür bedurfte es zunächst nur eines festen Willens. Heute ist es die aktuelle Form von Stille und Einkehr als weiter Flur für Wanderer, Radfahrer, Einheimische. Bleibt zu hoffen, dass der Bau noch lange zugänglich bleibt.
Links zur Flurkapelle
Zwar gibt es die eigenen Webseiten zur Kapelle schon seit gut zehn Jahren nicht mehr, dafür findet sich noch manch anderes lesenswertes.
So z.B. die Beschreibung und das Bautagebuch bei Prof. Flury:
https://www.frankflury.com/Field-Chapel-Seckach-Germany
Der erwähnte Beitrag auf den Seiten von Schöner Wohnen:
https://www.schoener-wohnen.de/tipps-trends/31817-rtkl-die-flurkapelle-boedigheim-im-odenwald
Die Projektseite bei Ecker-Architekten:
https://www.ecker-architekten.de/projekte/flurkapelle-boedigheim/2022/7/15/m3hrfjgn9ve0mcusn8tszson62n3au
Ein weiterer Blogbericht:
https://unterwegs.deutsch-blog.de/2021/06/15/das-tor-zu-einer-anderen-welt/
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