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Raum der Stille, Wolletz (Angermünde, Uckermark)

Der Raum der Stille in Wolletz, ist ein Kleinbau von Jan Kleihues. Dort am Wolletzsee gab es bis 2020 einen evangelischen Kirchenraum. Nun hat das Dorf in idyllischer Lage einen multikonfessionellen Ort der Stille. Auf einer Waldlichtung unweit von See und Dorfzentrum entstand dieser, meines Wissens nach, einzige Sakralbau des Berliner Stararchitekten Jan Kleihues, der u.a. an der Fachhochschule Potsdam lehrt und Großprojekte wie die Zentrale des BND in Berlin realisierte. Diese Projekt ist ein Teil der Weiterentwicklung in einer zuletzt von der DDR-Landwirtschaft geprägten und ebenso hinterlassenen Ortsstruktur, die versucht sich für die Ansprüche und Nutzungen des 21. Jahrhunderts neu zu finden.

Die Fachwerk-Kirche stand bis 1965 (Q: Infotafel im Ort)

Geschichte: Die Kirchen und des Dorfes Wolletz

Die älteste Erwähnung von Wolletz finden wir, wie so oft im Landbuch Kaiser Karls IV, 1375. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass es mindestens 100 Jahre zuvor bereits eine Besiedlung und eine einfache romanische Kirche gab. Im Jahr 1599 wurde auf den Grundmauern des Vorgängerbaus eine einfache Fachwerkkirche errichtet. Diese soll zunächst noch gotische Stil-Elemente aufgewiesen haben. Schließlich musste diese 1965 wegen Baufälligkeit abgetragen werden. 1970 folgte die Errichtung einer DDR-Baracke für den Gottesdienst in dem von Angermünde her kirchlich versorgten Ort. All dies geschah wohl auf Anordnung der Stasi, besser gesagt vom Chef selbst, Erich Mielke. Der nun ins Schloss eingezogen war, übrigens um es als Gästehaus und Feriendomizil zu nutzen. Heute ist das Schloss eine Rehaklinik.

Die entwidmete Kirchenbaracke auf dem Friedhof, Foto: K. Manthey 2024
„Mielkes Trauerhalle“ von 1978 neben der Baracke von 1970, , Foto: K. Manthey 2024

1978 wurde auf Geheiß Mielkes, des jahrzehntlangen Minister für Staatssicherheit der DDR, außerdem eine Trauerhalle errichtet. Bei einem Besuch im Ort soll Mielke es für untragbar gehalten haben, dass die Toten des Dorfs in der Kirchenbaracke zur Aufbahrung kamen. Daher entstand in Rekordzeit ein Neubau dafür. Dieser Gottesdienstraum ist nun seit 2020 entwidmet. Gleichzeitig gibt es Pläne für die Weiterentwicklung der Ortslage am Berlin-Usedom-Radweg. Durch Schaffung einer neuen Ortsmitte und der Ausschreibung von Bauland soll neues Leben einziehen. So entstand ebenfalls ein Ortsgemeinschaftshaus (2020), nach Entwurf von Elke Hähnel aus Gramzow, im neuen Zentrum fast 120-Einwohner-Dorfs.

Gemeinschaftshaus an der Ortsmitte, hier soll es weiterentwickelt werden. , Foto: K. Manthey 2024

Wolletzer Herrschaften

Durch Jahrhunderte hindurch gab es viele Herrschaften über und in Wolletz. Ritter, Offiziere, als Folge der Weltwirtschaftskrise wird das Gut an einen Deutschen in den USA verkauft. Daher dann im Zweiten Weltkrieg vom Staat beschlagnahmt. Das im 19. Jahrhundert erbaute Schloss kommt schließlich in der DDR an die Stasi, Mielke empfängt dort Besuch und residiert zeitweise dort. Mit der politischen Wende und dem Niedergang der landwirtschaftlichen Produktion werden die Gutsgebäude schließlich von der Erbengemeinschaft der letzten Eigentümer Ende der 1990er Jahre an die Unternehmerfamilie Fiege verkauft. Diese etabliert im Ort verschiedene Projekte zur Wiederbelebung und engagiert sich im ökologischen Wirtschaften und Umweltfragen vor allem in der Uckermark.

Das neue Guthaus von Jan Kleihues aus dem Jahr 2000, Foto: K. Manthey 2024

Bei der baulichen Ertüchtigung der Gutsanlagen wird das alte Gutshaus durch einen Neubau von Jan Kleihues im Jahr 2000 ersetzt. Daher könnte also die erneute Arbeit des Architekten gut 20 Jahre später kommen. Übrigens des neuerrichtete Gutshaus zitiert unter Verwendung historischer, roter (Abriss-)Ziegel, meiner Meinung nach, das Schloss Belvedere auf dem Potsdamer Pfingstberg. Dass durch große preußische Baumeister (Persius, Stüler, Hesse) nach Entwurf von Wilhelm IV errichtet wurde. Obwohl an anderer Stelle eine Nähe zur Gutshausbautradition nahe gelegt wird. Kurzum: Neue Herrschaften neue Häuser.

Der errichtete Raum der Stille

Haus der Stille, Straßenansicht, Foto: K. Manthey 2024

Der Raum der Stille in Wolletz ist ein „Begehbares Kunstwerk am See“. Gemeinsam mit dem neuen Begegnungshaus ist es „ein langgehegter Traum, nachdem die Idee für einen Kirchenneubau als zu kühn scheiterte.“ (D. Windolff: Beten mit Seeblick…,in: MOZ, 26.9.2020).

Also hatte man durch aus die Idee wieder einen kirchlichen Raum zu errichten. Stattdessen entstand ein Raum ohne Dach. Auf einer längsrechteckigen Bodenfläche sind versetzt zwei rechteckig-u-förmige Wandkörper ineinander gestellt. Somit entstehen drei Räume. In jedem sind mittig Öffnungen in im Steinboden.

Bodenöffnung, Foto: K. Manthey 2024

Während sich ein Raum zum See hin öffnet und eine Bank hat, ist der mittlere Bereich umschlossen. Dort steht eine Birke in der Mitte. Der dritte Raum hingegen öffnet sich zur Straße, die zum ehemaligen Schloss führt. Zur Belebung der Figur ist die eines der beiden Wandelemente höher.

Beide erhalten eine horizontale Gliederung durch gemauerte Rücksprünge. Diese Bänder brachten die starre Wandstruktur auf. Daniela Windolff, schreibt: „[Ein] interkonfessioneller Andachtsraum[…]. Er soll als begehbares Kunstwerk künftig für Gebete, Andachten, Meditationen und Ort der Stille für jedermann zugänglich sein.“ (D. Windolff: Gebete im Kunstwerk…, in MOZ, 8.9.2020).

Blick gen Himmel, Foto: K. Manthey 2024

Einschätzung und Würdigung des Wolletzer Raums der Stille

Räume der Stille sind momentan eine beliebte Form, um Spiritualität einen Platz zu geben. Sie richten sich an alle Menschen und wollen diese auf der geistlichen Ebene erreichen. In unserer breiten Gesellschaft sicherlich ein Konzept. Anstatt Krankenhaus-, Flughafen-, Friedhofskapelle gibt es nun multifunktionale Räume für alles und jeden, der auf der Suche ist, so wie hier im Klinikum Berlin-Buch. Ob dort etwas gefunden wird erscheint hierbei weniger wichtig. Meine Angst ist dabei, dass wir mit dieser Baugattung die Kirchenräume abschaffen, anstatt diese in die Weitung von Nutzungbedarfen und neue Ideen von Spiritualität mit einzubeziehen. Einerseits schließen wir christliche Gotteshäuser, sowie die evangelische Baracke in Wolletz, andererseits errichten wir neue, fast polytheistische Räume.

Dennoch hat es auch etwas ehrliches. In einem Landstrich in dem die christliche Kirche seit Jahrzehnten schrumpft, braucht es Versuche Gemeinschaftsorte zu schaffen und Angebote für Geist zu Seele baulich anspruchsvoll zu fassen. Parallel zum Raum der Stille entstand ebenfalls das Gemeinschaftshaus für die gesellschaftlichen Belange, Gottesdienst ist dort nicht ausgeschlossen.

Vom See her, Foto: K. Manthey 2024

Für die Erkenntnis in Stille debütiert Jan Kleihues durchaus überzeugend und mit oder gerade durch wenige Mittel beeindruckend. Zwar ist für mich der Begleittext in Bronze auf einem gemauerten Podest aus demselben Baustoffen etwas zu trivial und für mich wenig erklärend. Nichtsdestotrotz die einfache Anordnung der Wandelemente umhaust eine monastische Idee und bildet ein Zentrum, Ideale die im Buddhismus, im Christentum und anderswo vorkommen. Wer Wolletz besucht, weil er mit dem Rad vorbeifährt oder einen Wildburger im Kaffeekonsum isst, sollte auch die Lichtung zwischen Dorfkern und ehemaligen Schloss besuchen, bevor es an den See geht.

Der See, Foto: K. Manthey 2024

Bei mir hat es funktioniert geborgen in der Architektur fand ich zur Ruhe. Nichtsdestotrotz kann ich mein Gebet noch besser in einer Kirche verrichten. Sie auch?

Weiterleitungen und interne Links zum Raum der Stille

Über die Kirchenbaracke und Wolletz auf den Seiten der Kirchengemeinde:

Auf den Seiten von Kleihues+Kleihues:

Das neue Gutshaus von 2000
Der Raum der Stille
Irgendwie werden hier Erinnerungen wach…
Wolletzer Landschaft, Foto: K. Manthey 2024

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