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Herz Jesu, Berlin-Prenzlauer Berg – Teil 1

Herz Jesu ist eine meiner liebsten Kirchen. Oft zeige ich diesen bis heute original erhaltenen Bau Gruppen. Nun wird dieser herausragende Berliner Sakralbau 125 Jahre alt. Denn am 27. Oktober 1898 wurde die noch nicht ganz fertige Kirche geweiht, d.h. benediziert. Am Sonntag, dem 15. Oktober 2023 feiert die Gemeinde ihr Jubiläum. Weshalb die Kirche so besonders ist, hat viele Gründe. Daher habe ich es bisher nie begonnen ein Kirchenporträt aufs Blog zu stellen, doch irgendwann muss damit begonnen werden. Die Einzigartigkeiten schon einmal in wenigen Punkten vorab: Es war die erste katholische Kirche nördlich der historischen Stadt. Sie wurde neuromanisch und im Inneren ebenso in byzantinischen Stil bis in die 1920er Jahre gestaltet. Viele bekannte Persönlichkeiten waren dort tätig. Bis heute ist es eine lebhafte Gemeinde am Fuße des Prenzlauer Bergs in einem ehemaligen Brauereiviertel. Wie alles begann, werde ich in diesem Beitrag skizzieren. Weiteres folgt.

Vorgeschichte der Gemeinde und Grundstück

Das L-förmige Grundstück mit der letzten Bebauungsplanung von Hehl,
rot markiert die zusätzlichen Bauten, Q: PfAR Herz Jesu

Mit dem Wegfall der meisten Repressionen in Folge des Kulturkampfes zwischen dem deutschen Reich, hier vor allem dem Reichkanzel Otto von Bismarck, und dem Vatikan konnten in der boomenden Reichshauptstadt nun vermehrt katholische Kirchen errichtet und Gemeinden gegründet werden. Mit dem als Kirchenbauer bekannt gewordenen 1889 eingesetzten fürstbischöflichen Delegaten Dr. Joseph Jahnel konnte auch die Entwicklung nördlich der einstigen Zollmauer (abgetragen um 1867), auf der heutigen Torstraßen, vorangehen. Für diesen Zwecke hatte die Enkelin des preußischen Justizministers Friedrich Carl von Savigny, Elisabeth, aus Ihrem Erbteil Geld verfügt. Damit die St.-Hedwigs-Gemeinde eine Tochtergründung im Norden des Gemeindegebietes vornehmen könne. Da die Stifterin selbst einer Herz-Jesu-Ordensgemeinschaft angehörte verpflichtete Sie jedoch zum Patrozinium Herz Jesu, um die Frömmigkeit hierfür in Berlin zu stärken.

Detail aus der Bebauungsplanung von Hehl, mit Betitelung und Unterschrift, Q: PfAR Herz Jesu

Das Kirchenbaugrundstück

Ein Komitee aus Gemeindemitgliedern suchte nun nach einem geeigneten Grundstück. Sie empfahlen die gut 690 qm in der Fehrbelliner Straße 98 zu erwerben. Der Großteil des damals durch Grundstücksspekulation hohen Kaufpreises konnte von der Spende erbracht werden. Übrigens soll auch der heutige Teutoburger Platz im Gespräch gewesen sein. Hierfür habe jedoch das Budget nicht ausgereicht, da man zudem einen Neubau finanzieren musste. Außerdem erscheint es heute als unwahrscheinlich, dass die Stadt Berlin diesem Ort zugestimmt hätte. Denn mit dem als Grundlage der Erweiterung verwendete Hobrecht-Plan, war dieses Areal bereits als Platz zu Erholungszwecken definiert. Kirchenbauplätze hingegen hatte der als Vorplanung zur Verteilung von Nutz- und Freizeitzwecken in der Stadterweiterung angelegte Entwurf nicht vorgegeben. Ebenso wenig wie andere Nutzungsarten.

Christoph Hehl, Ansicht der Schule mit Interimskirche von 1895, Q: PfAr Herz Jesu
Hofansicht von der Schönhauser Allee, rechts die Schule und im Erdgeschoss die Interimskirche, Q: PfAR Herz Jesu

Später kam ein weiterer Teil Gelände hinzu, dieses schloss an das bestehende an und war von der Schönhauser Allee her erschlossen. Daher kommt die heute noch vorhandene L-förmige Anlage des Areals. Zunächst befand sich dort eine öffentliche Badeanstalt. Da die Gemeinde nicht auf die Einnahmen verzichten konnte, wurde das Bad zunächst bis Anfang 1896 weiterbetrieben.

Erste Pläne und der Architekt von Herz Jesu

Schon drei Jahre zuvor hatte August Menken für den ersten Grundstücksteil einen Kirchenentwurf geliefert. Nun ergab sich darüber hinaus die umfangreichere Bauaufgabe neben Kirche ein Pfarrhaus, mehr Wohnungen, eine höhere Töchterschule sowie ein Arbeiterinnenhospiz bzw. Mädchenheim. Schule und Heim entstanden bis 1896/ 97, übrigens mit einer Interimskirche. Nun hieß der Architekt bereits Christoph Hehl.

Dieser kam, übrigens, auf besondere Weise zu dem Auftrag. Im Februar 1895 entschloss der Kirchenvorstand, dass ein beschränkter Wettbewerb ausgelobt werden solle. Einladen wollte man die Architekten Carl Moritz, August Menken und Christoph Hehl. Letzterer melde zurück, dass er aus Zeitgründen nicht für eine Konkurrenz zur Verfügung stünde. Er könne jedoch unentgeltlich drei Entwurfsvarianten anfertigen. Sollten diese Gefallen finden, würde Hehl den Auftrag annehmen. Schließlich kam es so, Hehls Skizzen wurde zugestimmt. Der Wettbewerb war geplatzt und Hehl hatte den Auftrag.

Porträt von Christoph Hehl, 1907, Q: Deutsches Museum München, http://www.digiporta.net/index.php?id=516987863, 5.11.23)

Christoph Hehl (1847-1911)

Christoph Hehl wurde 1847 in Kassel geboren. Dort erhielt er an der Höheren Gewerbeschule seine Ausbildung zum Architekten. Er arbeitet bei George Gilbert Scott d. Ä. in London, hörte dann bei Conrad Wilhelm Hase in Hannover Vorlesungen. 1870 bestand er die Regierungsbauführerprüfung. Kurz darauf begann er im Büro von Edwin Oppler ebendort. Schließlich machte er sich in Hannover 1872 selbstständig und erarbeitete sich nun seinen Ruf u.a. als Kirchenarchitekt. Also kam er 1894 für die Nachfolge von Carl Schäfer als Professor an der Technischen Hochschule. Dort vertrat er das Fach mittelalterliche Baukunst. Hinsichtlich Herz Jesu ist es gut möglich, dass Hehl zu wenig Zeit hatte für einen Zeit aufwendigen Wettbewerb. Gleichwohl hatte er noch keinen Bau in Berlin vorzuweisen. Zudem stürzte bei einem seiner Kirchenbauten in Hannover kurz vorher der Turm ein. Außerdem hätte er mit Menken und Moritz profilierte Konkurrenten ausstechen müssen. Dies wäre im direkten Vergleich wahrscheinlich schwierig gewesen. Schließlich begann mit Herz Jesu in der Fehrbelliner Straße eine erfolgreiche Zeit als Kirchenbauer im Berliner Raum bis zu Hehls Tod 1911.

Herz Jesu prägte einen neuen Typus katholischer Kirchen im dichtbebauten Stadtgebiet. In die Straßenschlucht gestellt konnte der Bau nur mit seiner Straßenfassade Außenwirkung entfalten. Über den realisierten Bau gibt es mehr im nächsten Teil.

„Hehl Christoph (1847-1911), Herz-Jesu-Kirche, Berlin-Prenzlauer Berg: Perspektivische Innenansicht. Tusche aquarelliert, weiß gehöht auf Karton, 68,5 x 84,8 cm (inkl. Scanrand). Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin Inv. Nr. 11745.“
Anlässlich der Kirchenweihe 1897 herausgegeben
Q: architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/P/88267.php

Links zu Herz Jesu

Über Kühns Mitarbeit in Herz Jesu
Der Hehlschüler Kühn und die Tradition

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