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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 17. März 2024
- Category: Kirchenporträts
Schinkels Dorfkirche in Straupitz (Spreewald)
Schinkels Dorfkirche in Straupitz ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist es ein echter Klassizismus-Kracher zum anderen erscheint der Bau zunächst wie ein UFO im beschaulichen Dorf. Dabei hat der Kirchenbau des preußischen Oberarchitekten von einst viel zu bieten und ist eine Betrachtung sowie eine Reise wert. Also erfahren Sie hier meine Eindrücke und erhalten Informationen zu der Kirche im Spreewald.
Geschichte von Straupitz
Bereits in der Antike siedelten dort im Spreewald ostgermanische Burgunden (ein Vandalenstamm), vor 400 verließen sie die Gebiete. Im 7. Jahrhundert siedelten dort dann slawische Stämme. Vor 1000 kamen hingegen Franken und später Deutsche. Sie unterwarfen die Slawen und missionierten die Lusizer, einen sorbischen Stamm, zumindest versuchten sie es. Denn die Einwohner der Gegend waren durchaus widerständig. Erst spät beruhigte sich die Lage. Ende des 13. Jahrhunderts wurde nun der Ort Straupitz erstmals urkundlich erwähnt.
Um 1650 konnte nun der kurbrandenburgische General Christoph von Houwald Straupitz und Umgebung erwerben. Somit entstand dort das Zentrum des Herrschaftsbereichs der Familie von Houwald. Diese bauten also den Ort nach und nach zur Residenz um. Kurz vor 1800 entstand beispielsweise das repräsentative Herrenhaus im Spätbarock (heute eine Schule). Auf diesen Bau in dessen Nachbarschaft die Schinkelkirche entstand, sollte der neue Sakralbau Bezug nehmen.
Hintergründe zum Bau der Schinkelkirche
Daher entstand dort eine Kirche mit auf Fernwirkung angelegter Doppelturmfassade. Grundlegend waren Schinkels Ideen für eine Normalkirche, welche der preußische hohe Beamte der Oberbaudeputation auf Geheiß König Friedrich Wilhelm III 1825 vorlegte. Dem Monarchen habe das Kosten-Nutzen-Verhältnis so sehr zugesagt, dass er Schinkels Entwürfe mit dem Normalkirchenerlass 1827 zum Vorbild aller evangelischen Kleinkirchen in Preußen bestimmte. Natürlich hatte der oberste Kirchenherr Preußens handfestes Interesse die Kosten für neue Kirchenbauten zu begrenzen. Da der König viele evangelische Bauvorhaben zu unterstützen hatte. Dabei war es am Ende Schinkel selbst, der für Straupitz den Idealkostenplan riss.
Übrigens gab es vor der heutigen Schinkelkirche Vorgänger. Eine Kirche (vermutlich die erste am Ort) zerstörte 1624 ein Brand, daraufhin ließ der neue Herr General Christoph von Houwald gleich nach seiner Machtübernahme 1655-58 eine Kirche errichten. Vermutlich einen einfachen Fachwerksaal so, wie es für die Region in dieser Zeit üblich war.
Diese war vor 1800 zu klein und dazu baufällig geworden. Denn die von Houwalds bauten ihre Herrschaft erfolgreich aus. Nun bedurfte es einer größeren Kirche im Zentrum ihres Einflussgebietes. Daher veranlasste Carl Heinrich von Houwald im Jahr 1826 den Bau einer Kirche für bis zu 1700 Gottesdienstbesucher. Sein Bruder, der Schriftsteller und Jurist Ernst gehörte zum Freundeskreis Schinkels. Daher erscheint es die Verbindung zu sein, die den vielbeschäftigten Leiter der Oberbaudeputation Preußens, Karl Friedrich Schinkel (1761-1841), als Architekt ermöglichte. Denn in dieser Zeit war Schinkel vor allem mit größeren Projekten bzw. der administrativen Leitung der Behörde und der Oberbauaufsicht befasst. Gleichwohl wird es für Schinkel eine Abwechslung dargestellt haben.
Das Bauprojekt
Also fertigte Schinkel einen Entwurf, den er später auch publizierte. Für die Reinzeichnung der Entwürfe empfahl er Adolf Brix (1798-1870) einen aufstrebenden Baubeamten. Der später vor allem als Ingenieur und Mathematiker bekannt wurde. Ebenso schlug der oberste Architekt des Königs den Bauleiter für das Projekt vor.
Wann Schinkel den Bauplatz erstmals selbst besuchte, ist unbekannt, doch eine Visitation erscheint wahrscheinlich. Denn mit dem Bauprojekt kam es zu Problemen. Vor allem explodierten die Kosten. Dorfkirchen in Preußen sollten nach der Order des Königs, zu der wohl auch der Normalkirchenerlass zu rechnen ist, nicht mehr als 8.000 Taler kosten. Dabei war die eigentliche Normalkirche als einfacher Saal gedacht. In Straupitz wurde hingegen eine Turmanlage geplant, diese und der angedachte Innenraum erhöhten die Kosten. Zwar sparte man nun einige Dinge, z.B. bei der Ausstattung ein, dennoch belief sich der Endpreis schließlich auf 30.000 Taler. Um diesen Anstieg zu begründen, bezog Schinkel schriftlich Stellung:
„Kirchenbauten, welche für 1000 Plätze massiv gebaut werden, sind daher immer nicht unter 20.000 bis 24.000 Talern unter jetzigen Verhältnissen auszuführen, wenn sie nicht das Anständige ganz verlieren und Schuppen oder Scheunen ähnlich werden sollen.“
K.F. Schinkel in einem Brief an das zuständige Ministerium, 1829, zit. n. Verena Friedrich, Die Dorfkirche zu Straupitz, Peda-Kunstführer, Nr. 928/2014, S. 7
Beschreibung des Kirchenbaus
Außen
Für den Neubau wurde der Vorgängerbau niedergelegt. Somit entstand in der Nähe des Gutshausbezirks eine Wandpfeilerkirche auf rechteckigem Grundriss. D.h. tragende Pfeiler sind in den Kircheninnenraum gezogen worden. Diese tragen gleichzeitig die umfangreichen Emporen. Somit waren 1.300 Sitzplätze möglich. Der lange rechteckige Kirchsaal erhielt ein flaches Satteldach. Der Ostabschluss mit dem Altarraum endet außen gerade.
Die Gliederung der Flächen wird durch horizontale Gesimse sowie Rundbogenfenster erreicht. Vor allem die drei großen Fensterflächen in den Seiten, durchbrechen die starren Wände und liefern Licht. Im Untergeschoß von Turm sowie im Chorbereich ergänzen jeweils zwei kleinere Fenster die Ansicht von Nord bzw. Süd.
Die Türme mit quadratischer Grundfläche weisen neben einer Art Zwischengeschoß drei weitere in der Höhe auf. Diese haben zu allen vier Seiten jeweils drei fensterartige Öffnungen.
Die Westseite weist die repräsentativste Ansicht auf. Dort befindet sich das Entrée mit drei Rundbogenportalen, darüber findet sich auf Höhe des 2. Geschoss eine Spruchfläche. Dort steht das Psalmwort: „LOBET DEN HERRN IN SEINEM HEILIGTHUM; LOBET IHN IN DER VESTE SEINER MACHT! ALLES WAS ODEM HAT LOBET DEN HERRN; HALLELUIA! PSALM 150 v. 1. UND 6.“ Diese strukturelle Gleichmäßigkeit der unterschiedlichen Fassadenseiten verweist auf den Einklang im Innenraum.
Innenraum
Dort betreten die Besucher durch die Mitteltür eine kleine Vorhalle, in der nun das Totengedenken der letzten beiden Weltkriege an der Schmalseite angebracht ist. Weitere Türen mit hohen Klinken und in weiß gestrichen öffnen den Durchgang zum Kirchenraum. Nun stehen wir in einem imposanten Kirchensaal, gegen die Erwartung, endet der Mittelgang in einem Chor mit eingezogener Apsis.
Nord- und Südseite weisen Mehrfach-Emporen auf, meist zwei übereinander und im ersten Joch drei, da dort die Logen für die Herrschaft und ihre hochgestellten Bediensteten waren. Insgesamt bilden die drei großen Fenster die drei Joche für die Emporen der Kirche. Übrigens ist von den drei Emporenseiten in Schinkels Dorfkirche lediglich die westliche mit nur einer Bühne ausgestattet, aufgrund der Orgel.
Dort steht ein ursprünglich von der Firma Morgenstern in Guben errichtetes Instrument, das teilweise aus dem Vorgängerbau übernommen wurde und mehrfach Überholungen und Erweiterungen erfuhr. Der durch Stufen erhöhte Altarbereich endet in der Kalotte der Apsis mit durch Malerei betonter Kassettierung. Darüber hinaus sind die Flächen des Chorabschlusses in fünf lange Rechtecke eingeteilt. Die Decke des Kirchenschiffs ist flach.
Die bauzeitliche Farbgestaltung ist nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die heutige Fassung von Weißtönen sowie rot und grün an Decke und Flächen, dem Original sehr nahekommt. Diese hatte Robert Sandfort bereits 1907 zum 75jährigen Jubiläum in einen grau-weißen Raum eingebracht.
Ausstattung
Der Altar ist ein einfacher Holztisch dessen Stipes eine dreifache Gliederung an der Front aufweist. Er hat einen zweistufigen Unterbau und zwei seitliche Holzschranken. Gutmöglich, dass es sich um den ursprünglichen Altar handelt.
Die Wandflächen der Apsis haben aus Kostengründen fünf Gemälde des Dresdener Malers Johann Friedrich Matthäi (1777-1845) und seines Schülers Johann Carl Bähr (1801-69) erhalten. Es handelt sich um Darstellungen von Johannes des Täufers, des Apostels Petrus, Christus als der Erlöser, dem Apostel Paulus sowie Johannes Evangelist. D.h. ein theologisches Bildprogramm, indem die Heilsgeschichte Jesu durch die beiden großen Glaubensvermittler den Christus einrahmen.
Besonders auffallend und klassizistisch ist die Kanzel. Diese befindet sich im Chorbogen. Auf einer klassisch anmutenden Säule steht ein filigraner, zylindrischer Kanzelkorb. Dieser ist durch eine schmale Empore erschlossen. Als Schaldeckel dient ein zurückhaltend dekorierter Kreisschirm.
Die ursprüngliche Taufe ist hingegen nicht mehr in Gebrauch. Nun steht im Altarraum eine hellgelbe Terrakottaausführung eine Stiftung des Patronatsherrn von 1877. Ebenso befinden sich in der Kirche Grabplatten und Epitaphe der Familie von Houwald. Die Kirche verfügt über ein Geläut aus drei Bronzeglocken, eine davon sogar aus dem 17. Jahrhundert.
Außerdem findet man heute in der Kirche eine stark beschädigte gotische Pietà aus der Kirche in Mochow. Dort kann man nun Votivkerzen entzünden. Diese Tradition ist mittlerweile ebenfalls in evangelische Kirchen zurückgekehrt.
Einsparungen an Schinkels Dorfkirche
Aufgrund des Kostendrucks, für den sich Schinkel rechtfertigen musste, wurden im Vergleich zu den Plänen verschiedene Einsparungen vorgenommen. An der Turmfassade sollten ursprünglich Supraporten-Reliefs in den Bögen über den Türen angedacht, sowie vier rahmende Figuren. Außerdem sollten an den Außenseiten beider Türme Uhren eingebaut werden. Zudem plante Schinkel eine Verzierung der Textstelle.
Im Inneren von Schinkels Dorfkirche sind vor allem Weglassungen im Chorraum nachvollziehbar. Anstatt Fresken in der Apsis kamen die fünf Gemälde aus Dresden zur Hängung. Außerdem entwarf Schinkel ein monumentales Kreuz als Retabel. Ebenfalls waren die Prinzipalstücke reich verziert geplant. D.h. Kanzel, Altartisch und Taufe wiesen detailreiche plastische Dekore auf.
Einschätzung Würdigung
Als ob ein Ufo dort gelandet wäre, in Bezug zur heute sichtbaren Bebauung der Umgebung und sicherlich auch der damaligen sticht Schinkels Dorfkirche hervor. Es scheint nicht ganz zu passen. Ebenso fehlen auf den ersten Blick passende Proportionen. Der kastenartige Bau des „Baumeisters Preußens“ ist wuchtig, vor allem im Vergleich der typischen Dorfkirchen dieser Gegend. Diese sind zumeist später errichtet, bzw. kleiner oder einfacher.
Es erscheint mir jedoch als ein bewusstes Zeichen. Die adligen Herren der Region haben ein Zeichen gesetzt. Sie errichteten eine Kirche, in die nahezu alle evangelischen Christen des Kirchspiels hineinpassten und dass unweit ihres Herrensitzes. Dies unterstrich den Machtanspruch der von Houwalds. Zudem plante eine Berühmtheit den Bau mit königlicher Unterstützung. Durchaus eine Identifikation stiftendes Vorhaben, so scheint es.
Zudem umso länger ich dem Kirchenbau gab, umso mehr habe ich mich damit angefreundet. Außerdem bereitet der zu groß erscheinende Außenbau auf den Innenraum vor. Dort erfährt die Klarheit ihren strengen preußisch-unionierte Höhepunkt. Inwieweit die durch Friedrich Wilhelm III, 1817 erst durchgesetzte Evangelischen Kirche in Preußen, d.h. die Union der reformierten und lutherischen Konfession, Einfluss auf die Kirchenpläne der Zeit hatten, ist mir unbekannt. Gut möglich, dass diese Zeitgeschehnisse in den Bau von Schinkels Dorfkirche in Straupitz hineinspielten.
Kurzum: Die Kirche ist meist geöffnet. Ein Besuch des Gotteshauses und seiner Umgebung lohnt.
Links zu Schinkels Dorfkirche
Link zur Kirchengemeinde in Straupitz:
https://www.schinkelkirche-straupitz.de/index.php/schinkelkirche
Beitrag bei Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Dorfkirche_Straupitz