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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 9. Mai 2024
- Category: Kirchenporträts
Unser lieber Herrgott auf dem Dachboden
Unser lieber Herrgott auf dem Dachboden ist eine Kirche in einem ursprünglichen Privathaus in Amsterdam. Dort kam ich durch Zufall vorbei und ging aufgrund des Zuspruchs meiner Frau auch hinein. Da es in Amsterdam so viele Wege und Dinge zu entdecken gibt, war es ein schöner Zufall, dass ich genau dort ankam. In einer Kirche, die ein Zeugnis der konfessionellen Entwicklung in Europa und besonders in den Niederlanden darstellt. Übrigens ist es neben dem Rijksmuseum das zweitälteste Museum der Hauptstadt unseres Nachbarlandes.
Zwar kenne ich aus der Diaspora Kirchenräume auf Dachböden. So feierte, z.B., die kleine Gemeinde geflüchteter Schlesier in dem Dorf meiner Urgroßmutter Jahrzehnte auf einem Dachboden eines Wirtschaftsgebäudes Heilige Messe. Oder bei der ersten Kirche der Katholiken in Malmö (Schweden), wo ich auf einer Jugendfahrt der Pfarrei und kurz nach dem Bau einer neuen, repräsentativen Kirche vor über 20 Jahren mit der Gruppe Übernachtete.
Die Umstände der Kirche auf dem Dachboden
Dennoch, dass nach der Übernahme der Amsterdamer Stadtregierung durch protestantische Obere, 1578, hatte Folgen. Zwar gab es eine generelle Konfessions- und Gewissensfreiheit, gleichwohl wurden die Klöster geschlossen und die Kirchen calvinistisch. Die anderen evangelischen Strömungen waren ebenso nur geduldet. D.h. wenn man weiterhin Gottesdienste feiern wollte, musste dies im Verborgenen geschehen. Trotzdem wurde dies normalerweise geduldet. Somit begannen auch die, gut ein Fünftel ausmachenden, Amsterdamer Katholiken zunächst in provisorisch hergerichteten Privaträumen Eucharistie zu feiern. Schließlich etablierten sich größere Kirchenräume mit eigenen Geistlichen, darunter auch die Kirche auf dem Dachboden, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Wie bereits erwähnt war eine „Schuilkerk“, d.h. eine Schlupfkirche bzw. Versteckte Kirche ebenso Phänomene andere Konfessionen, wie bspw. den Remonstranten, einer Absplitterung der Calvinisten. Allein in Amsterdam sind bis heute mindestens vier erhalten.
Die Geschichte der Kirche
Die Geschichte der Kirche auf dem Dachboden beginnt mit dem aus Coesfeld im Münsterland stammenden Kaufmann Jan Hartmann (1619–1668). Er kaufte 1661 insgesamt drei Häuser an einer Gracht, am Rande der damaligen Innenstadt. Zunächst richtete man dort eine einfache Kirche ein. Schließlich jedoch zahlte Hartmann umfassende Umbauten.
Daher konnte ein Sakralraum über drei Hausetagen wachsen, der nach dem Erbauer Het Hart bzw. `t Hart genannt wurde. Dafür sorgte der Initiator sogar für den ersten eigenen Priester, Petrus Parmentier (1601 – 1681). Er war Augustinerchorherr aus Gent. Außerdem soll er bewusst nach Amsterdam geschickt worden sein, um dort zu remissionieren. Bereits gut 7 Jahre nach dem Erwerb starb Jan Hartmann. Danach gab es verschiedene Bewohner und Nutzungen, beispielsweise die Familie Die Häuser wechselten den Besitzer, doch die Kirche blieb.
Als 1887 die historistische neue St.-Nikolaus-Kirche, unweit eröffnete, schloss die Dachbodenkirche. Jedoch schon im Jahr darauf eröffnete das Museum Amstel Kring, zunächst gab es nur den dort wohnenden Hausmeister. Er führte durch und kümmerte sich um das Gebäude. 2015 kam es zu einem Neubau direkt neben dem Häuserblock mit der Kirche. Felix Claus von den Architekten Van Wageningen realisierte ein Gebäude mit Eingangsbereich, Café, Projekt- und Schulungsräumen. Von dort wird der historische Teil unterirdisch erschlossen.
Beschreibung des Sakralraums
Heute können Besucher von Unser lieber Herrgott auf dem Dachboden den baulichen Zustand aus dem 19. Jahrhundert erleben. Anhand verschiedener Befundungen ist seit gut 10 Jahren der Zustand zur Zeit der letzten, regelmäßigen Nutzung von kurz vor 1887 erlebbar. Noch immer erreicht man die Kirche über die Treppen im Wohnbereich. Dort sind die Ausstellungsräume an die Gründungszeit und die kurze Phase der Familie Hartmann angelehnt. Tritt am in das Oberste reguläre Stockwerk steht der Besucher seitlich des hinteren Kirchenraums. Mittlerweile ist der Raum mit Fenstern zur Gracht ohne Sitzmöbel.
Dreht man sich um blickt man in den Kirchenraum. Dort befindet sich ein Sitzblock aus Stühlen in der Mitte sowie an den Wänden, ehemalige Logen für gehobene Mitglieder der Gemeinde. Die St.-Nikolaus-Kirche auf dem Dachboden bot Platz für 150 Gläubige, stehend und mit Logen vermutlich mehr. An der Schmalseite befindet sich der barocke Hochaltar, mittlerweile wieder komplettiert mit Aufbauten und Putten. Die Decke ist nun in weiß gehalten darauf. Die vorherige Fassung hatte einen blauen Hintergrund. Übrigens ist die Kanzel aus Platzgründen im Altar versteckt. Sie kann mit wenigen Handgriffen ausgeklappt und aufgebaut werden.
Steht man vor dem Altar wird die Qualität des Bildes von Jacob de Wit (1695-1754) ersichtlich. Mit mehr als 20 Altarbildern, viele davon für versteckte Kirche, schuf er angelehnt an die Malweise von Peter Paul Rubens barocke Meisterwerke, so wie die Taufe im Jordan für Unser lieber Herrgott, 1716. Außerdem befinden sich hinter dem Altar weitere Altarbilder mit Darstellungen der Auferstehung und von Pfingsten eines unbekannten Malers. D.h. es handelt sich um einen Wechselaltar, wo sich gemäß dem Kirchenjahr die Abbildungen tauschen lassen.
Darüber hinaus finden sich in Extraräumen, die durch Treppen hinter dem Altar erschlossen sind, weitere Bereiche. Dort auf der Ebene der Kirche ist eine kleine Sakristei untergebracht, hinter dem Altar ein Regal sowie die Aufbewahrung für die anderen Altarbilder. Eine Marienkapelle sowie der Beichtstuhl und die Taufe befinden sich eine Etage darunter. Ebenso kann man über den hinteren Bereich z.B. das Zimmer des Priesters erreichen, dort wohnte und arbeitete der Geistliche. In weiteren Räumen, wie bspw. dem neugotischen Zimmer sind Vasa Sacra und anderer Stücke aus dieser und anderen Dachbodenkirchen ausgestellt.
Würdigung von Unser lieber Herrgott
Unser lieber Herrgott auf dem Dachboden und das Museum sind der Ort, an dem man sich über die Geschichte der „Schuilkerken“ informieren kann. Darüber hinaus beeindruckt der Besuch des Sakralraums sowie der vielen Kunstwerke und Ausstattungsstücke. Sie zeugen von einer Zeit, in der zwar viele Konfessionen vorhanden waren, jedoch nicht sichtbar sein durften. Bis heute ist die katholische Kirche die größte christliche Gruppe in den Niederlanden. Ihre Geschichte kann man dort entdecken und, wie ich finde, nachempfinden – also einen Stopp wert im Reiseprogramm.
Links
Beitrag auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Museum_Ons%E2%80%99_Lieve_Heer_op_Solder
Artikel auf welt.de
https://www.welt.de/reise/staedtereisen/article13480681/Die-versteckten-Gotteshaeuser-in-Amsterdam.html
Alle Fotos (bis auf extra gekennzeichnete): K. Manthey 2021