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Tägliche Kirche, Nr. 78, Kapelle im ehem. St. Antonius-Krankenhaus, Berlin-Karlshorst

Das Antonius-Krankenhaus in Karlshorst ist ebenfalls voller Geschichte. Einst von den Breslauer Marienschwestern als modernstes Krankenhaus Deutschlands 1930 in Betrieb genommen, wurden die Nonnen 1945 aus Karlshorst vertrieben. Nachdem zog die Rote Armee ein mit NKWD und Gefängnis. Danach, von 1963 bis zur Wiedervereinigung, war hier das DDR-Landwirtschaftsministerium Hausherr. 1991, nach der Rückübertragung des großen Areals, konnte die Katholische Fachhochschule hier eröffnen. Nun ist das gesamte Gebäude Denkmal gerecht renoviert und die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin hat ein breites Angebot und einen guten Ruf.

Haupteingang mit Uhrenturm und Antoniusfigur, Q: Paul Lazarus, Das St. Antonius-Krankenhaus, Berlin-Karlshorst, 1931

Das St.-Antonius-Krankenhaus

Das Haus wies ursprünglich 300 Betten auf und hätte auf 1000 erweitert werden können.

„Es ist ein langgestreckter, mehrfach abgewinkelter Bau mit der geringen Höhe von drei bis vier Geschossen. Sein Erscheinungsbild ist durchaus nicht rein funktional, sondern mit zahlreichen akzentuierenden Elementen im Stil der Neuen Sachlichkeit ausgestattet.“

(Daniela Danz, Herzpunkt der Anlage. Der Krankenhauskirchenbau der Weimarer Republik, Göttingen 2015, S. 170)

Grundriss mit markierten Standort der Kapelle, Q: Paul Lazarus, Das St. Antonius-Krankenhaus, Berlin-Karlshorst, 1931, S. 6

Die Kapelle

Teil des katholischen Krankenhauses war natürlich eine Kapelle. Da der gesamte Grundriss des Gebäudes sich wie eine eckige Schlange über das Grundstück zieht liegt der Sakralbau an der Schnittstelle von Krankenhaus und Schwesternflügel.

Eingang vom Innenhof, bauzeitliche Aufnahme, Q: KHSB, Marienschwestern

Von außen war der Bau ferner abgehoben mit Kreuzsymbolen an verschiedenen Stellen eine Art „Eckstein“ des Ensembles. Die Kirche war darüber hinaus als Basilika angelegt und genordet. Das östliche Seitenschiff war mit dem Kloster verbunden und wohl baulich nahezu abgeschlossen und in einzelne Räume unterteilt. Anzunehmen, dass dies der Schwesternchor war.

Der Kapelle Innenraum Bauzeitliche Aufnahme, Q: KHSB, Marienschwestern

Innenraum und Ausstattung

Im Westlichen Seitenschiff gab es keine Bestuhlung, so dass hier sicherlich Krankenbetten zu stehen kommen konnten. Lanzettbögen verbanden beide Seitenschiffe baulich mit dem Hauptraum.

Die heutige Aula, Blick in zu Ostwand, Foto: K. Manthey, 2016

Diese Bögen waren ebenso lasierte Keramik wie die in den Seitenwänden besonders am Obergaden angebrachten Reliefplatten, z.B. ein Hirsch artiges Tier. Hier wurden verschiedene schwer zuordnbare christliche Symbole wiederholt verwandt. Die Obergadenfenster war quadratisch. Eine Flache Balkendecke war als Abschluss des Hochschiffs eingezogen. Leuchter waren an den Wänden und ein großer Kandelaber an der Decke angebracht. Der Eingezogene Hauptchor erhielt ebenfalls einen lanzettartigen Bogen als Trennung sowie zwei schmale Bögen als Rahmung und Durchgänge. Der Hochaltar hatte einen schlichten Kreuzaufsatz.

Architekt, Chefarzt und Hausgeistlicher

Mehrere wichtige Persönlichkeiten sind mit der Geschichte des St.-Antonius-Krankenhauses verbunden, hier drei Beispiele:

Erstens der Architekt Felix Angelo Pollak (geb. 1882, Beitrag bei wikipedia), der aus Wien stammte und vom Judentum zum Katholizismus konvertierte. In Wien errichtete er ein viel beachtete Schule und ein Schwesternheim für die Dienerinnen des Heiligsten Herzens Jesu, diese Zusammenarbeit brachte ihm den Spitznamen „Herz-Jesu-Pollak“ ein. Es ist anzunehmen, dass er so auch an den Berliner Auftrag kam. Er hielt sich in den 1930er Jahren in England auf, hier sind Betonstraßen von ihm bekannt. Dort starb er 1936.

Zweitens der erste Chefarzt der Klinik. Paul Lazarus (1873 – 1957, link zur Charitéseite) er war ab 1901 an der Berliner Charité. Später leitete er verschiedene Privatkliniken und war somit ab 1907 Chefarzt am St. Marien-Krankenhaus. 1930 gewann ihn der Orden der Marienschwestern dafür die Leitung im neu errichteten St. Antonius-Krankenhaus zu übernehmen. Er war überdies Vorreiter auf dem Feld der Strahlentherapie. Für ihn war sein Krankenhaus ein „Tempel der Caritas“. Da auch er aus einer jüdischen Familie entstammte entzog man ihm 1933 die Lehrerlaubnis. 1936 musste der seine Chefarzttätigkeit aufgeben. Mit Hilfe des Berliner Bischofs zog die Familie 1937 schließlich in die Schweiz. Hier konnte er jedoch nicht als Arzt praktizieren und war von Zuwendungen durch Freunde und ehemalige Patienten abhängig.

Drittens muss noch Pfarrer Carl Ulitzka (1873-1953) erwähnt werden. Er war bis 1910 Pfarrer von Bernau, dann 30 Jahre in Ratobor Oberschlesien tätig. U. a. war er Reichstagsabgeordneter und nach Ausweisung aus Schlesen wegen verbotener Polenseelsorge, ab 1939, Krankenhauspfarrer in Karlshorst bis zur Auflösung. Dieser Mann war eine prägende Persönlichkeit und sicher auch für seinen Jahre am Antonius-Krankenhaus.

Die heutige Aula, Blick in zu ehem. Chorraum, Foto: K. Manthey, 2016

Erhaltenes

Blickt man heute auf diese Kirche und den Bau finden sich noch etliche moderne Merkmale und Erinnerungen und die ursprüngliche Funktion. So z. B. der Antonius, der zu russischen Zeiten mit Holz verkleidet, die Zeit überstand. Er ist der Wächter wenn man von Süden durch das Hauptportal zum Eingang geht. Dort ist er an einer zum Turm gestalteten Ecke angebracht.

Der Fliesenboden im Flur, jede Etage hat ihre eigene Farbigkeit, Foto: K. Manthey, 2016

Bis heute sind in den Gängen und teilweise Räumen bauliche Spuren ablesbar, Kastenfenster, Fliesenböden, Wandeinbauten u.v.m. Die ehemalige Kapelle hingegen ist nun Aula. Doch die Wandfarben nach Befund deuten auf die Farbigkeit der Kirche hin. Ebenso sind die keramischen Arbeiten d.h. die Bögen und Reliefs noch erhalten.

Ansicht des Innenhofs von Westen, links Eingang zur Kapelle, Q: Paul Lazarus, Das St. Antonius-Krankenhaus, Berlin-Karlshorst, 1931

Nutzung heute

Heute ist hier die Aula der Hochschule, ebenfalls ein repräsentativer Ort. Die Kirche einst erscheint heute nicht wie aus einem Guss. Ein wenige wir eine Mischung aus Jagdschloss und expressiver Raumgestalt. Doch vielleicht sind es genau diese Brüche, die die Besonderheit ausmachten. Vielen Menschen fanden dort in der Kapelle des St.-Antonius-Krankenhauses Trost, einige wurden hier getauft oder haben Teile ihre kirchlichen Lebens erlebt. Sicherlich wurden etliche Schicksale betrauert und Gott gedankt. Ein Besuch ist bis heute möglich. Am besten zu einem der öffentlichen Angebote, dann gibt es auch oft Führungen durch den Komplex.

Die Anlage vom Garten her (links am Rand der Turm des Heizhauses), bauzeitliche Aufnahme, Q: KHSB, Marienschwestern

Weiterführungen

Die Reihe: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/

Seite der Hochschule: https://www.khsb-berlin.de/de/node/66967

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