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ENDLICH: SANKT HEDWIG MITTE

Endlich ist die Kathedrale des Erzbistums Berlin wieder geöffnet. Heute am Christkönigsonntag, dem letzten im Kirchenjahr, wurde der Sakralbau wieder in Besitz genommen. Für mich ist diese Kirche ein Chance. Sie ist schlicht, sie ist einladend, sie ist aktuell. Ich weiß vielen gefällt das nicht. Es wurden auf dem Weg dahin zu viele Scherben produziert. Längst sind noch nicht alle nicht wieder aufgesammelt. Schließlich ist die Debatte um die Kathedrale durchaus ein „Ost-West-Ding“ und somit eine Geschichte von Nichtgesehen und missverstanden werden. Dennoch haben mehre tausend Menschen seit dem 24.11.2024 die Kirche erkundet, entdeckt und gestaunt.

Von der Behrenstraße her mit dem neuen Kreuz
Vor dem ersten Gottesdienst

Was mir an der neuen Kathedrale gefällt ist diese Klarheit und Qualität. Es ist ein Raum, der sich um die aktuelle Liturgie, also die Art Gottesdienste zu feiern ebenso bemüht, wie um die Frage, was kann eine Kirche heute noch für die Menschen sein. Menschen, die nicht so wie ich sehr katholisch aufwuchsen. Mitten in der Stadt stehen Leute vor der Tür, die es hineinzieht. Hineinzieht, weil sie davon gehört haben oder weil sie durch die Innenstadt flanieren. Sie überlegen nicht lange, nehmen sich einen Besuch nicht vor und kommen dennoch.

Von Oben besonders deutlich: klares Rund.

Meiner Meinung nach kommt die Mehrheit der Besuchenden aus Neugier. Dabei wollen sie etwas finden was sie aufnimmt und vielleicht auch einen Mehrwert. All das könnte dieser „genial banale“ Sakralbau bieten. Vor allem die Hauptkirche birgt eine schlichte Feierlichkeit im großen verallgemeinernden Rund. Sie wirkt nahezu evangelisch. Während die beiden in der Nähe befindlichen (evangelischen) Kirchen: Berliner Dom und St. Marien eher katholisch wirken. Die erste weil es der letzte Kaiser so wollte, die zweite, weil sie aus dem Mittelalter stammt – als alles noch katholisch war.

Einkehr und Gebet – hier vor der Madonna

Dieses Evangelische an Sankt Hedwig Mitte ist kein Malus. Alle katholischen Identitätsorte sind vorhanden. Eine Gottesmutter, der Tabernakel als Zelt für den eucharistischen Christus auf Erden, ein Ort für das Evangeliar und sogar ein dazu umgedichteter Petrus – ein Zeichen der Verbindung mit dem Bischof von Rom. Und inmitten der Kirche, endlich, ein Altar, als Halbkugel, für eine zeitgemäße Liturgie. Dazu gibt es einen passenden Gegenpol als Tisch des Wortes. Es entsteht eine Gemeinschaft im Glauben und im Nicht-Glauben und all das auf derselben Ebene. Übrigens mit eleganter und einfacher Ausstattung. Keine in Richtung Kitsch gehende Massenware aus dem Katalog. Sondern durchdacht gestaltet vom Künstler Leo Zogmayer.

Der Halbkugelaltar – 1000 Steine in einem gegossenen – Entwurf: Zogmayer

Zugegeben man sieht teilweise nicht besser als in der vermeintlichen Schwippertkirche von 1963, die 1976 durch Hans Schädel komplett umgedeutet wurde! Aber man sieht auch nicht schlechter. Während ich aus der letzten Fassung in ihrem dunkel immer nur schnell nach der Messe hinaus wollte, verweilen die Menschen heute einfach – und das auch nach 2,5 Stunden Gottesdienst. Denn der Hauptraum ist freundlich, klar und ohne viel Denken auf der ersten Ebene zu verstehen. Trotzdem hat er darüber hinaus mehr zu bieten. So beispielsweise die klug gemachte Apostelleuchter (Zogmayer) oder die computergestützt errechnete Kugeldecke (Sichau). Dort gleicht kein Feld dem anderen – so wie wir alle verschieden sind. Bilder im vermeintlich bildlosen in einer Kuppel die uns umfängt – das ist ebenfalls Können!

Die Kuppel mit dem Lichtkranz um das Opaion, der Nebel ist Weihrauchdunst

Schließlich bleibt der Gang in die Krypta. Sie ist nun wieder direkt vom Vorraum erreichbar. Dort finden wir anstatt von großzügiger Weite, eine gewisse Intimität. Der Besucher wird eingeladen sich einzulassen und sich auf sich selbst zu beziehen. Im Zentrum eine noch zu erprobende Taufe – so ist es bei neuen Dingen! Drum herum ein in den Boden gelegter Kreuzweg, der auch ohne Kenntnisse ein Verständnis und Wirkung erzeugt. Von vielen, 13, gekreuzten, eingeritzten Linien bis hin zur 14. Station: eine pure Platte ohne Schaden. Also: vom Voll zum Leer – vom Dunkel zum Licht oder theologisch gesagt: von Golgatha zur Auferstehung. Außerdem Kapellen, die die Geschichte Jesu und auch jedes Menschen nachzeichnen. Sozusagen eine Geschichte unseres Heiles mit und durch Gott.

In der Krypta – mittig der kreuzförmige Taufstein

Von der Geburt, mit der Neapolitanische Krippe, die nur komplett wird, wenn wir sie andächtig betrachten und den Kreis der Hirten, Leute, Anbetenden ausfüllen. Dann die Grablege der Berliner Bischöfe, daneben findet sich der Gedenkort für den Seligen Bernhard Lichtenberg, der trotz alledem gegen die Ungerechtigkeit der Nazis laut anbetete und dies mit seinem Leben bezahlte. Wenn man weiter läuft kommt eine Kapelle mit einem verspiegelten Triptychon. Sobald man es sieht – wirft es das Spiegelbild zurück. Umkehr – denn die Kirche und ebenso jeder Mensch ist schuldhaft und macht Fehler. Daneben liegen Beichtkapellen. Dort kann jede und jeder das Bußsakrament auf die gewünschte Art empfangen.

Menschen vor der Krippe – kommet ihr Hirten!

Daraufhin der Durchgang zur unteren Sakristei, dann noch ein Beichtort. Nun folgt der Zeit-Raum, wo momentan die Geschichte des Bistums thematisiert wird. Weiterhin kommt dann die Kapelle der Heiligen Hedwig. Jener starken Frau des Mittelalters, die auch uns Vorbild sein soll. Daneben liegt eine weitere Grabkammer, bisher ungenutzt, darin ein Vesperbild aus der Zeit um 1500, ernst und im Holzton. Schließlich die Kapelle, die zu Anbetung und stillem Gebet gedacht ist. An einer rundabschließenden Wand hat der Bischof von Innsbruck, Herman Glettler, ein Ready-Made (Kunst mit Alltäglichem) mit dem Titel: „crossfit“ geschaffen. Aus entsorgten Kunststoff-Körpern des Gekreuzigten, die von Särgen abmontiert wurden, montiert er eine Art Netz des Heils. Davor soll eine Monstranz von Leo Zogmayer temporär aufgestellt werden.

Detail aus dem Ready-Made: „crossfit“ von Glettler

Endlich erreicht man über die fast schwarz gestrichene metallene Treppenkapsel wieder die Ebene 0. In der Vorhalle kann man durch die großen Glastüren den Bebelplatz und derzeit einen Weihnachtsmarkt sehen. Nun kann man die Kirche verlassen oder zurück in den Hauptraum gehen. So oder so, wer aus Sankt Hedwig Mitte heraus kommt, kann etwas mitnehmen. Einen selbst für unsere reiche Zeit seltenen Eindruck von gut gemachter Klarheit – endlich ist sie wieder da unsere alte neue Kathedrale. Bleibt zu hoffen, dass wir auch etwas daraus machen! Kommen Sie vorbei, überzeugen Sie sich selbst!

Vorderansicht – ALLE FOTOS: K. Manthey 2024

Links zum Thema

Über die Installation von Hermann Glettler bei orf.at:
https://tirol.orf.at/stories/3282487

Führungsangebote am 4.12.2024 mit mir und meinen Kolleginnen und Kollegen:
16:30 Uhr: https://www.katholische-akademie-berlin.de/veranstaltung/sankt-hedwig-mitte-2024-12-2/

19:00 Uhr: https://www.katholische-akademie-berlin.de/veranstaltung/sankt-hedwig-mitte/

Die Netzpräsenz zu Sankt Hedwig Mitte, mit Progammkalender und Führungsangeboten: https://www.hedwigs-kathedrale.de

Bericht auf den Seiten der Berliner Zeitung vom 24.11.24:
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-hedwigs-kathedrale-feierlich-wiedereroeffnet-nach-langem-streit-ein-staunen-li.2275199

Berichterstattung auf Domradio: https://www.domradio.de/artikel/berliner-st-hedwigs-kathedrale-mit-pontifikalamt-wiederoeffnet

Direkter Link zur Aufzeichnung der pontifikalen Einweihungsfeier:
https://www.domradio.de/video/pontifikalamt-zur-wiedereroeffnung-der-sankt-hedwigs-kathedrale

Hier finden Sie alle weiteren Beiträge auf kirchenbauforschung mit Bezug zu Sankt Hedwig Mitte.

(Erstellt: 24.11.2024, überarbeitet am 27.11.2024)

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