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Tägliche Kirche, Nr. 54, Heilig Geist, Neustettin (heute: Szczecinek, Polen)

Die #tägliche Kirche heute ist Heilig Geist in Neustettin in Westpommern. Heute heißt die anwachsende Stadt Szczecinek, 1923 weihte man die Kirche ein. Carl Kühn lieferte dort seinen ersten nachweislichen Kirchenbau nach dem Ende der Kaiserzeit. Darüber hinaus deutet die Einfachheit des Baus auf eine Sparkirche der Inflationszeit. An die Kirche erinnerte ich mich, als ich heute Unterlagen über den Bauherrn, Kuratus Leo Schmitz, in den Händen hielt. Von ihm und vor allem das was mir zu dem Bau bekannt ist lesen Sie hier.

Umstände und Kirchenbau

Bereits 1915 wurde in Neustettin regelmäßige Heilige Messe gefeiert. Als Notkirche nutzte man eine Automobilwerkstatt. Die Gottesdienste mussten vor Arbeitsbeginn stattfinden. D.h. werktags war die Messe um 6 Uhr.

Carl Kühn, Entwurfszeichnung der Vorderansicht von Heilig Geist,
Q: Staatsarchiv Köslin/ Koszalin, Außenstelle Neustettin/ Szczecinek, http://koszalin.ap.gov.pl/stara/images/2016/Miejsca_kultu/Duch_s_76_001.jpg
(Zugriff: 13.05.2020)

Die Zahl der Katholiken betrug zur Erbauungszeit zwischen 700 und 800 Seelen im Seelsorgebezirk. In der Stadt waren 300 Gemeindemitglieder ansässig. Die nächste katholische Kirche lag gut 22 km entfernt. In Neustettin lebten rund 1925 rund 15.500 Menschen, überwiegend protestantischen Glaubens. Hier galten die Katholiken vielmehr als „polnische Kirche“ und Polen als verhasste Gegner. Insofern war der Gegenwind bei dem Bauprojekt gesellschaftlich und politisch stark.

Carl Kühn, Heilig Geist, mit Pfarrhaus in Neustettin 1923, bauzeitliches Luftbild,
Q: http://www.szczecinek.org, http://www.szczecinek.org/galeria/albums/userpics/10001/normal_77.jpg (Zugriff: 13.05.2020)

Es handelte sich um einen einschiffigen Saalbau mit rechteckigem Grundriss. Zur Bauzeit wurde das flache Satteldach mit Dachpappe gedeckt. Später, vermutlich in polnischer Zeit, erhielt es eine Eindeckung aus Blech. Rahmende Glieder sind aus Backstein, die Flächen aus Bruch- und Feldsteinen gemauert. Über eine doppelläufige Treppe gelangte man durch ein Rundbogenportal in den Kirchenraum.

Carl Kühn, Heilig Geist, Neustettin 1923, Außenansicht, bauzeitlich Ansichtskarte.
Q: http://www.szczecinek.org, http://www.szczecinek.org/galeria/albums/uploads/aktu1/niemcy/poludniowe/kirche/normal_duch_01.jpg (Zugriff: 12.05.2020)

Der Eingangsbereich ist durch einen vorstehenden Mittelrisalit am Frontgiebel gestaltet, der sich abstufend nach oben hin verjüngt und als Glockenträger jedoch über das Dach hinausragt. Der Saalbau war in fünf Joche unterteilt. Im Eingangsbereich gab es eine Kapelle. Die leicht eingezogen schloss der Bau mit dem Altarraum. Dieser hatte eine etwas niedrigere Dachhöhe. An die mit einem Kreuz im Giebel gestaltete Chorraumwand wurde mit einem Flachdach die Sakristei angebaut.

Entwicklung nach dem Krieg

Infolge des Zweiten Weltkriegs änderte sich die konfessionelle Situation bekanntlich. Inzwischen gibt es in der mehr als 40.000 Einwohner zählenden Stadt 13 katholische und nur 1 evangelische Kirche. Daher wurde Heilig Geist wurde umgebaut. Da das einfache Kirchlein aus deutscher Zeit sicherlich baulich und von der Ausstattung nicht mehr den Erwartungen entsprach. Schließlich riss man 2002 die alte Kirche ab und ließ nur den Giebel der Frontseite stehen. Statt dessen wurde nun ein Kirchenneubau dahintergesetzt. Dieser nimmt die Kubatur der Kirche von Carl Kühn auf. Heute hat die Gemeinde, die seit den 1980er Jahren durch Redemptoristen betreut wird über 8000 Mitglieder.

Zustand nach 2002, die historische Fassade ist erhalten,
Q: Pfarrgemeinde Heilig Geist / Kościół Ducha Świętego w Szczecinku, http://www.parafiaduchaswietego.fnp.pl/images/img_stale/DSC_0026.JPG (Zugriff 14.05.2020)

Der erste Geistliche

Übrigens der Bauherr Leo Schmitz schien ein schwieriger Charakter. Geboren 1884 in Trier, ferner wurde er 1913 zum Priester geweiht. Danach war er Militärgeistlicher, dann Kaplan in Berlin-Reinickendorf. Nachdem der Bau von Heilig Geist abgeschlossen war, kam er als Kurat nach Stettin-Lastadie. Dies geschah wohl auch, um ihn aus der Schusslinie zu bekommen, da in Neustettin doch einiges ungeplant verlief. Dort plante er auch eine Bauprojekt, Christus König. Später kam er wieder nach Berlin, war eine weile beurlaubt, um dann als Seelsorger in Neu-Zittau bei Erkner zu wirken. Hier erschossen ihn russische Soldaten im Oktober 1945 als Schmitz versuchte einen Streit zu schlichten.

Carl Kühn, Heilig Geist, Neustettin 1923, Straßenansicht, bauzeitlich Ansichtskarte.
Q: http://www.szczecinek.org, http://www.szczecinek.org/galeria/albums/userpics/10001/normal_78.jpg (Zugriff: 12.05.2020)

Einschätzung

Carl Kühn bediente sich dort einiger Barockelemente sowie regionaler Baumaterialien. Ebenso war diese Kirche ein Sparbau ohne Turm und besondere Zier. Auch wenn ich die Kirche nie sehen konnte, ist die mir bekannte Überlieferung ein seltenes Zeugnis der deutschen katholischen Diaspora im heutigen Polen. Umso interessanter, da die Einwohner nach 1945 die Räume weiter nutzten und entwickelten. Somit lassen sich viele Vergleiche anstellen. Nicht zuletzt die Frage nach dem Umgang mit historischen Bauten, wenn diese für den Bedarf zu klein werden.

Weiterführungen

Die Reihe: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/

sowie die Seite der Pfarrei zur Geschichte (in polnisch) http://www.parafiaduchaswietego.fnp.pl/index.php?option=com_content&view=article&id=27&Itemid=131

Schließlich die Seiten des Staatsarchivs Köslin http://koszalin.ap.gov.pl/stara/index.php/de/abteilung-in-szczecinek/news/939-miejsca-kultu.html?start=4

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