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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 11 August, 2025
- Category: Kirchenporträts
Herz Jesu Neuruppin
Herz Jesu Neuruppin ist eine kleine Besonderheit unter den märkischen Kirchen der Katholiken. Zum einen entstand sie, so wie geplant 1893. Zum anderen hatte Sie mit Franz Statz einen Architekten bekannten Namens, erst sein Vater und dann er waren Baumeister am Kölner Dom, der prominienten Baustelle Preußens. Darüber hinaus hat die neugotische Pfarrkirche in der Prignitz viele Veränderungen im Inneren seit 2020 mit einer sehr zeitgenössischen und zeitlosen Gestaltung bekrönt.
Zur Geschichte der Stadt und der ersten Katholiken dort
Um 1200 entsteht Neuruppin. Dort wird Mitte des 13. Jahrhundert ein Dominikanerkloster durch Wichmann von Arnstein gegründet. Er war ein Bruder des zuständigen Grafen von Lindow-Ruppin, Gebhard von Arnstein. Nun war Neuruppin eine katholische mittelalterliche Stadt. Dort gab es mehrere Kirchen (u.a. St. Nikolai, St. Marien) Kapellen, Hospitälern. Denn es lag auf dem Weg nach Wilsnack, dort hin führte über Neuruppin im Spätmittelalter die Wallfahrt zum Heiligen Blut.

Q: https://brandenburg.museum-digital.de/object/6074 (11.8.25)
bez.:in der Darstellung m.o.: Newen Ruppin; m.u.: Casp: Merian Fecit
1541 kommt schließlich die Reformation in die Stadt am Ruppiner See. Somit endete das katholische Leben. Im Jahr 1781 wurde übrigens der bedeutende preußische Architekt und Baubeamte Karl Friedrich Schinkel dort geboren. Nach dem großen Stadtbrand, 1787, kam es zur Neugestaltung der Stadt mit rechtwinkligem Straßenraster und eine Mischung aus gotischen, manieristischen, barocken und bereits klassizistischen Stileinflüssen. 1819 kommt Theodor Fontane dort zur Welt.

Vergrößerung der Gemeinde und der Weg zum Kirchenbau
In jener Zeit sind nun wieder Katholiken in der Stadt. 1836 werden diese erstmals gezählt. Es sind 100 Familien mit 271 Katholiken. Zwei Mal pro Jahr kommen Geistliche von St. Hedwig in Berlin zur Gemeinde der Stadt und halten Gottesdienst und betreiben Seelsorge. Ein erster eigener Katechet wirkt bis 1845 vor Ort. Vier Jahre später kann ein eigener Geistlicher entsandt werden. Nun entsteht eine Missionspfarrei. D.h. eine Gemeinde soll sich zur Pfarrei entwickeln. Es gibt ein erstes Gemeindehaus mit einer Kapelle im OG. Die Zahl der Gläubigen im Einzugsgebiet steigt an. Zunächst reicht die Missionspfarrei von Havelberg bis Fehrbellin und Wittenberge bis Neustrelitz.

(Q: ABW Mappe Neuruppin).
Dieser erste Seelsorger, Wilhelm Kurz aus Schlesien, schreibt aus seiner leeren und noch nassen Wohnung, welche man für ihn frisch hergerichtet hat:
„Mit welchen Gedanken ich, ohne mich auch nur setzen zu können, mich beschäftigte, ehe auch nur ein warmes Frühstück besorgt war, das zu beschreiben ist mir nicht möglich. Genug, ich fand mich wie nach Nordamerika als Missionar versetzt.“ (zit. n. der Pfarrchronik)
Interessant ist aus heutiger Sicht der Vergleich mit Nordamerika, dass wohl als Missionsgebiet angesehen wurde. Ebenso, dass heute eher untypische warme Frühstück fällt auf.
Kapellen und Bauvorhaben
Im Jahr 1867 folgen Umbauten der Kapelle. Erstmal ist aus Platzmangel keine neue Kirche notwendig, bemerkte zu Beginn seiner Dienstzeit, 1879, Pfr. Robert Hirschmann. Er hatte sogar eine zweckgebundene Spende für den Neubau einer Herz-Jesu-Kirche ausgeschlagen. Außerdem beginnt mit dem ersten Bahnanschluss zur gleichen Zeit ein neues Kapitel für die Stadt. Infolgedessen und der preußischen Reformen wird Neuruppin Gerichtsstandort. Zudem kommt weiteres Militär dorthin. Bei der größeren Garnison aus Truppen, die von Havelberg verlegt werden, sind viele verheiratete Soldaten und darunter auch katholische Familien.

(Q: ABW Mappe Neuruppin).
Ein erhaltener Brief an den Bonifatiusverein legt nahe, dass die Gemeinde um 1867/68 das Angebot hatte, ein leerstehendes Haus, das „Ludolfsche Hotel“ zu übernehmen. Der Absender Pfr. Schomer, anscheinend einer der entsandten Missionsgeistlichen berichtet darüber. Außerdem schreibt er in seinem Bericht an den Bonifatiusverein/ Franz-Xaverius-Verein, der seine Stelle finanzierte über die Entwicklung und Zusammensetzung seiner Gemeinde. Warum es nicht zu dieser Immobilie kam ist noch unklar.
Zehn Jahre später schreibt dann derselbe Geistliche, ehrlicherweise, folgendes:
„Nachdem in Neustrelitz für kaum 100 Katholiken ein schönes, großes Gotteshaus errichtet woren war, nach dem auch in Friesack eine geräumige Kapelle gebaut worden war und sogar die kleine Gemeinde in Kremmen mit dem Plan um ging eine solche zu errichten, da wurde ich sozusagen moralisch gezwungen allen Ernstes an einen Kirchenbau zu denken.“ (zit. n. der Pfarrchronik)

Q: CC BY / Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V., Archiv/Carl Wühlisch / unter: https://berlin.museum-digital.de/singleimage?imagenr=168962 (11.8.25)
1882-83 wird nun ein Kirchenneubau in Neuruppin realisiert. Als Architekt gewinnt die Gemeinde Franz Statz (1848–1930). Er hat damals ein Büro in Berlin. Zudem ist er der Sohn von Vincenz Statz, dem 2. Dombaumeister und Werkmeister in Köln. Franz lehrte an der Bauakademie Berlin und ging 1890 wieder in Köln. Dort war er u.a. Dombaumeister, denselben Titel erhielt er dann ebenfalls im österreichischen Linz. Neuruppin ist wohl seine erste aufgeführte Kirche! Übrigens ist die Familie Statz auch mit dem späteren Berliner Diözesanbaurat Carl Kühn verwandt.
Der realisierte Sakralbau, Herz Jesu, in Neuruppin

Am 23. Juli 1883 erfolgt die Altarweihe durch den fürstbischöflichen Delegaten und Propst an St. Hedwig Dr. Johannes Bapt. Maria Assmann (1833-1903). Dieser wurde 1888 zum ersten Feldpropst der preußischen Armee. Somit war er der erste in Berlin geweihte Bischof, zumindest nach der Reformation. Die Kosten des Neuruppiner Kirchleins sind mit 74.000 Mark betitelt. Dabei ist vor allem der Bau ansich beziffert. Die Innenausstattung wurde in den Folgejahren noch vervollständigt.

Der Bau ist ein schlichter und feingliedriger neugotischer Backsteinbau. Die Strebepfeiler und ein besonderes Zierband zeugen von Baukunst. Im Inneren ist bis heute eine drei-schiffige Halle erhalten. Diese scheint vor allem gestalterische Gründe zu haben. Denn aufgrund der kleinen Gesamtfläche hätte es keine Stützen im Raum gebraucht. Somit entsteh jedoch der Eindruck einer vollumfänglichen gotischen Kirche in der Mark. Außerdem erhielt die Kirche einen Eingangsturm. Zudem ist der Sakralbau zurückgesetzt, da das Grundstück außerhalb der historischen Stadt ausreichend Fläche bot. Dem Kircheneingang vorgelagert sind zwei Vorbauten, linker Hand das Pfarrhaus, rechter Hand das einstige Schulhaus.
Veränderungsideen für außen
Wohl aufgrund der freien Flächen gab es zumindest zwei Versuche das Ensemble baulich zu vergrößern. Für die Erweiterung der Herz-Jesu-Kirche in Neuruppin sind Kühns Pläne von 1933 erhalten. Der Diözesanbaurat skizzierte eine mittelalterlich anmutende Choranlage mit zwei Erweiterungsbauten als Querschiffe. Für eine neue Sakristei fügte er in Manier eines Drei-Konchen-Chores Bauten an. Darin sollten neben der Hauptsakristei zwei Vorsakristeien entstehen. Vermutlich kam es aufgrund staatlicher Einwände nicht zur Verwirklichung des Planes, denn die Finanzierung war gesichert.

Nachdem die Erweiterung der Kirche nicht durchgeführt wurde, plante Pfarrer Mosko, die Erweiterung und Erneuerung des Pfarr- und des Schulhauses. Im Oktober 1937 bittet er das Ordinariat, um zügige Bewilligung und Auftragsvergabe, damit vor dem Winter begonnen werden könne. Realisiert wurde die Erweiterung mit Kolonnaden ähnlichem Eingangsbereich nie. Dies zeigt, dass viele Pläne nach 1933 aufgrund staatlicher Einwände nicht mehr umgesetzt werden konnten.
Umbauten im Inneren der Herz-Jesu-Kirche Neuruppin
Während die Pläne für eine Veränderung der Außenbauten Idee blieben, wurde der Kircheninnenraum mehrfach umgestaltet. Zudem sind Entwürfe bekannt, die weit über das realisierte hinausgehen. So wurde nach der Weihe 1883 noch weitere Ausstattung angeschafft. Beispielsweise kamen nach und nach die gestalteten Chorfenster hinzu. Bis 1905 hatte man eine reiche Ausstattung zusammen. Doch eine Ausmalung der Kirchen erfolgte erst in den Jahren danach.


Bis zum Jahr 1955 hatte diese neugotische Kirche bestand. Dann wurde der Hochaltar reduziert und alsbald die Decken und Wände hell getüncht. Diese Reduktion und teilweise sogar der Bildersturm, in Folge des Zweiten Weltkrieges sowie im Rahmen der Liturgiereform, machte nur vor wenigen Kircheninnenräumen Deutschlands halt.

Q: PfAR Neuruppin
Für Neuruppin hieß dies schließlich: Abbau der Kanzel, Neubau eines Hochaltars (um 1957) und Entfernung der Seitenaltäre für Maria und Josef (1963). Eine farbliche Neufassung mit die Gewölbe und Gliederungen betonender Farbgebung kam ebenso. In den 1970er Jahren geschahen größere Um- und Einbauten. Die Empore wurde in den Raum erweitert und eine neue Orgel eingebaut. Die Eingangssituation wurde dahingehend verändert, dass ein verglaster Windfang entstand. Man betrat die Kirche nun von den Seiten. Anstatt zweier Bankblöcke mit Mittelgang gab es nun einen breiten Bankblock im Hauptschiff und Gängen in den Seitenschiffen. Mittlerweile war der Altar nach vorn gezogen worden.

Q: PfAR Neuruppin
Bemerkenswert sind Entwürfe von Friedrich Scherke aus Dresden von 1976. Zwar wurde seine sehr radikalen Vorschläge, u.a. einer zentralen Altarinsel im Kirchenschiff um Rauten artig umstehenden Sitzplätzen nicht realisiert. Doch einige Idee scheinen geblieben zu sein. Wie die Aufhängung eines rustikalen Kreuzes an handgeschmiedeten Ketten im Chor.

Der Umbau zur heutigen Kirche
Im Jahr 2020 standen technische und malerische Sanierungen an. Die Gemeinde entschied sich gemeinsam mit dem erzbischöflichen Ordinariat zu einer Neugestaltung der Kirche. Da die vielen halbfertigen Gestaltungsansätze keine Einheitlichkeit mehr erzeugten. Nach einem ausgelobten Wettbewerb gewann der Künstler Tom Kristen. Sein Konzept setzt auf Reduktion und eine helle Raumhülle.

Q: bsl Architekten/ Christian Bernrieder (Alle Rechte beim Urheber, Danke für die Nutzungserlaubnis)
2022 wurde der Innenraum nach seinem Entwurf durch BSL Architekten (Christian Bernrieder) denkmalgerecht neugestaltet. Am Anfang des wiederhergestellten Innenganges steht der historische Taufstein aus der Zeit der Kirchenweihe.

Anstatt der Bänke sind nun bewegliche Stühle mit Kniebänken aufgestellt. Der Entwurf hat zwar formale Strenge: Denn im Fokus steht der aus schmalen Ziegeln gemauerte, weiß getünchte Altar. Dem sich Ambo und Vortragekreuz aus gewalztem Stahl elegant unterordnen.


Alles ist umgeben von strahlendem Weiß. Am Ende des linken Seitenschiffs schimmert erhaben der mit Perlmuttplättchen bestückte silberne Tabernakel. Der Chor ist vorgezogen. Aus Gussstein ist die Einstufige Altaranlage gemacht. Das Kruzifix ist aufgehängt, dessen Korpus wohl spätmittelalterlich ist und Reste der originalen Farbfas-sung aufweist.


Die Kreuzwegbilder sind spät nazarenisch und stammen aus der Erbauungszeit. Die heutige Orgel kommt von Schuke und wurde 1977 eingebaut.


Herz Jesu Neuruppin – eine Würdigung
Die erneuerte Kirche ist nun auch ein Ort für kulturelle Angebote in der Stadt. Sie ist weit mehr als monochrom und weiß. Wer sich dem Leuchten des Tageslichts im Raum aussetzt, kann ein farbiges Weiß erleben, das öffnet und beeindruckt. Für mich stellt diese Neugestaltung eine behutsame Aktualisierung eines Kirchenraums an die heutige Zeit. Der Kirchenraum ist freundlich und offen, seine Schlichtheit lädt ein und seine Tiefe überzeugt.




Links zu Herz Jesu
Seite zur Kirche auf der Webpräsenz der Pfarrei Hl. Gertrud:
https://www.pfarrei-heilige-gertrud.de/vor-ort/kirche-herz-jesu-neuruppin
Projektseite von bsl Architekten:
https://www.bsl-architekten.de/kirche-herz-jesu-neuruppin/
Die Seiten des Künstlers Tom Kristen (noch ohne das Projekt in Neuruppin):
http://www.tom-kristen.de/kontakt.html
