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Kloster Neuzelle

Besuch in Neuzelle (1): Die Klosteranlage des Stift Neuzelle

Die Klosteranlage des Stift Neuzelle

Im Juni 2018 konnte ich gemeinsam mit meiner Frau einen kleinen Traum erfüllen. Wir hatten zu zweit ein Wochenende in Neuzelle. Für uns eine sehr monastische Zeit, denn wir haben uns viel mit dem ortsprägenden Stift Neuzelle, einem ehemaligen Zisterzienserkloster, befasst – die Barockperle Brandenburgs. In verschiedenen Einzelbeiträgen werde ich hier Sakralarchitekur und -Kunst dieser Reise zeigen und kurz vorstellen. Den gesamten Reisebericht unserer ersten Paarreise seit drei Jahren finden Sie hier.

Kloster Neuzelle
Ansicht auf das Kloster von Osten, Foto: K. Manthey, 2018

Die Anfänge

Der Ort Neuzelle in der Niederlausitz, dicht an der polnischen Grenze, ist heute ohne das Kloster, ein ehemaliges und baldiges Zisterzienserkloster kaum zu denken. Hier erinnert alles an den kulturellen Kern der Region. Ein wahres Kuriosum – wurde doch bis zur Aufhebung durch den neuen Landesherrn das Königreich Preußen 1817 mitten in evangelischen Landen ein katholisches Kloster betrieben. Dessen Geschichte bis ins Mittelalter zurück reicht, als ein Wettiner Fürst seiner verstorbenen Gemahlin eine Erinnerungsstiftung machte, das war 1268 und der Markgraf war Heinrich der Erlauchte aus Meißen.

Wandbild, Votov, Kloster Neuzelle, Stiftskirche
Detail des Votivgemäldes in der Vorhalle der Stiftskirche St. Marien, ca. 1730, Markgraf Heinrich hält seine schützende Hand über die Kirche, Foto: K. Manthey, 2018.

Damals noch an einer anderen Stelle, die jedoch als unpraktisch aufgegeben wurde. Kurz nach 1300 begann die Besiedelung des heutige Areals. Wie vielfach in den Region der slawischen Stämme wurden die Zisterzienser geholt. Eine reformierte Ordensgemeinschaft, die aus dem Benediktinerorden hervorging und das Motto des Hl. Benedikt von Nursia sehr aktiv anging „ora et labora“. Dies hieß vor allem in den ersten Jahrzehnten der Ordensniederlassungen, so auch dieser, wirklich viel körperliche Arbeit – neben den durchaus häufigen Gebetszeiten. Brüder (Laien) und Patres(Priester), die mit Werkzeugen Wälder einschlugen, Sümpfe austrockneten und Äcker urbar machten. Mit ihnen kam die Wirtschaft ins Laufen und Menschen siedelten im Schatten und Schutz der Klöster, die sich meist eher zu prachtvollen Schlösser entwickelten (irgendwo musste das erfolgreiche Geschäftsmodell ja Ausdruck finden).

Wandbild, Mittelalter
Neu freigelegtes spätgotisches Wandbild im Kreuzgang, Foto: K. Manthey, 2018.
Architektur, Konsole, Kreuzgang
Konsolstein mit gotischen Architekturformen im Kreuzgang Zeuge des Mittelalters, Foto: K. Manthey, 2018.

Im Religionskrieg

Bis zur Säkularisation durch Preußen gehörte Neuzelle zu Böhmen, später somit zu Sachsen, stets wurde den Mönchen in dieser Zeit das freie Recht zur Ausübung ihres römisch-katholischen Glaubens gewährt. Die erste Kirche scheint 1309 geweiht worden zu sein. Ein erster großer Einschnitt waren die Brandschatzungen durch die Hussiten im Jahr 1429. Die Mönche unter Abt Petrus I. waren gegen die Lehren des Jan Hus und somit schien das Stift unweit der Oder ein ausgemachtes Ziel seiner Anhänger in den Religionskriegen. Ein erstes Mal wurde nun hier gemeuchelt, der Abt und 20 Mönche getötet sowie die Besitzungen geplündert und gebranntschatzt. Lediglich die Kirche wurde wie durch ein Wunder erhalten. Die überlebende Zisterzienser berappelten sich und gut 20 Jahre später war das Kloster wiederhergestellt.

Auffahrt, Klostereingang, Klosterteich
Der Hauptzugang zum Kloster geht durch eine Allee (ursprünglich Kastanien, heute Linden), Foto: K. Manthey, 2018.

Die Schweden kommen

Doch 200 Jahre später wiederholte sich das Schicksal. Die Schweden marodierten durch die Niederlausitz. Zeitweise waren die Mönche alle auf der Flucht und das Kloster verwaist. Erst kurz vor 1648, und mit dem endgültigen Friedensschluss von Münster und Osnabrück, kehrte wieder Ruhe ein. Nun sicherte sich das Haus Habsburg die Schirmherrschaft u.a. über das Kloster Neuzelle (sicherlich nicht mit finanziellem Nachteil). Dabei war selbst während der Reformation das Stift bestehen geblieben und wirtschaftete weiter. Mit dem Aufkommen der katholischen (Gegen-)Reformation, die dem teilweise sehr strengen Protestantismus eine empfindsame neue römische Kirche entgegenzustellen versuchte, wuchs auch die Kreativleistung der katholischen Richtung an. Der Barock keimte auf und wurde zum Innovator einer neuen Lebenskultur. Auch das Kloster im Norden Deutschlands prosperierte und wurde nach und nach im Barockstil umgestaltet. Die vier Äbte zwischen 1641 und 1775 setzten die Um- und Neugestaltung der Anlage durch, die Kirchen wurden barockisiert und Gebäude erweitert. Getragen wurde dies durch die erneut wachsende Wirtschaftskraft des Klosters. Denn Ländereien und Wirtschaften wurden (zurück)gekauft und unter Abt Marinus Graff, im frühen 18. Jahrhundert ein Gymnasium eingerichtet. Dies begründete neben der Agrarwirtschaft einen neuen Tätigkeitsbereich, die Bildung. In jener Zeit ist von 30 oder mehr Mönchen in der Gemeinschaft auszugehen.

Kloster Neuzelle, Stift Neuzelle, Barock, Niederlausitz, 1700
Kupferstich einer Kartenansicht um 1700. Verwalter: Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Kartensammlung, Signatur/Inventar-Nr.: SLUB/KS B4272 .
Q: https://fotothek.slub-dresden.de/fotos/df/dk/0002000/df_dk_0002640.jpg (Zugriff: 23.6.2018)

Unter den Preußen und DDR: Bildung

Nach dem der Staat Preußen die Mönchen mit einer Rente zwangsabgefunden hatte baute dieser die Bewirtschaftung aus und wusste die landwirtschaftlichen und Fischereibetriebe gewinnbringend zu nutzen. Noch 1853 hatte das Rentamt mehr als 50.000 ha Land unter seiner Verwaltung. Zuerst wurde dies sogar in der DDR weiter betrieben, doch die Kollektivierungen der Realsozialisten sorgte schließlich auch für die Auflösung dieser Verwaltungseinheit, 1955. Seit 1817 bestand mehr als 100 Jahre ein evangelisches Lehrerseminar in einem der Nebengebäude, ebenso war erneut ein Waisenhaus eingerichtet. Ebenso wurde in dieser Zeit ein katholische und evangelische Pfarrei eingerichtet.

Bis heute ist Neuzelle ein Schwerpunkt der Kinder- und Jugendbildung, der gut 2000-Seelenort hat täglich 800 Schüler in den örtlichen Bildungseinrichtungen. Während der NS-Zeit befand sich die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (Zweigstelle von Potsdam) in den aufgegebenen Räumen von Waisenhaus und Lehrerausbildung.  Diese ideologische Ausbildungsstätte von Jungmannen in Uniform, mit paramilitärischen Fächern wurde rechtzeitig vor dem Eintreffen der roten Armee evakuiert, so dass Neuzelle kampflos und somit großteils schadenfrei erobert wurde. Teile der ehemaligen Klausur waren nun Lazarett und unterstanden den Sowjets. Ab 1951 wurde hier das Institut für Lehrerfortbildung aufgebaut. Unterstufenlehrer, Heimerzieher und später auch Horterzieher wurden hier ausgebildet bis zu 400 pro Jahr. Sie erhielten neben der Fachbildung auch eine FDJ-Kaderausbildung. Seit Mitte der 1980er Jahre wurde das Institut nach Frankfurt verlegt.

Waisenhaus, Schule, Neuzelle
Das ursprüngliche Waisenhaus war Standort der verschiedenen Bildungseinrichtungen, heute der Schulen, Foto: K. Manthey, 2018.

Katholische Bildung

Eine in der ursprünglich zisterzienserischen Tradition stehende Bildungseinrichtung war das von 1948 bis 1993 bestehende Priesterseminar Bernhardinum. Mehr als 850 Priester erhielten hier ihre kirchlich-pastorale Ausbildung. Die meisten von ihnen studierten aufgrund der Grenze ab 1961 in Erfurt, wohin später auch das Seminar verlegt wurde. Ich persönlich habe Neuzelle zuerst durch die lebhaften Berichte vieler Geistlicher kennengelernt. Die Berliner Kardinäle Bengsch, Meisner und Sterzinsky waren ebenso hier wie viele Pfarrer aus der ostdeutschen Diaspora. Seit 1991 zog auch wieder eine Schule im Kloster ein bis 2004 eine staatlich gefördertes Gymnasium mit deutschen und polnischen Schülern als Modellprojekt und ab 2009 mit ähnlichem Ansatz eine Grundschule und ein Gymnasium in privater Trägerschaft.

Priesterseminar, Bernhardinum, Neuzelle
Das ehemalige Priesterseminar, ist derzeit noch nicht saniert, hier die Außenseite, Foto: K. Manthey, 2018.

Das Klosterareal heute

Heute (Juni 2018) bietet das Klostergelände, welches durch die, nach der Wende gegründete, brandenburgische Landesstiftung Stift Neuzelle verwaltet und betrieben wird, neben den Gemeindekirchen, ein Klostermuseum, ein Museum zum „Himmlischen Theater“ einen Klostergarten mit Orangerie (und Gastronomie) einen Klosterladen mit Café ein Antiquariat, eine Schmuckgalerie, die Touristeninformation, die erwähnten Schulen und seit 2017 wieder eine Zisterziensergemeinschaft. Diese soll im September 2018 als Priorat im katholischen Pfarrhaus eingerichtet werden. Nun ist das Kloster noch mehr als in den letzten 200 Jahren ein Ort des Glaubens und der Besinnung und dennoch oder deswegen ein wunderbarer Ausflugsort. Der in diesem Jahr sein 750jähriges Bestehen feiert und nochmehr Programm bietet als so schon. Also Auf nach Brandenburg – auf nach Neuzelle.

St. Marien, Neuzelle
Der Eingangsbereich mit der Stiftskirche St. Marien, Foto: K. Manthey, 2018.

 

 

 

Link mit dem besten Gesamt-Überblick über die Anlage

http://www.stift-neuzelle.de/

Link zu den neuen Mönchen

https://www.neustart.zisterzienserkloster-neuzelle.de/

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