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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 3. Oktober 2021
- Category: Kirchenporträts
St. Joseph in Velten (125 Jahre)
St. Joseph in Velten wurde 1896 vom fürstbischöflichen Delegaten Dr. Josef Jahnel geweiht. Heute endet übrigens die Festwoche. Daher lohnt sich ein Blick auf eine der frühen katholischen „Typenkirchen“ in der Region Berlin-Brandenburg. Zwar hatte man oft ähnliche Bauten errichtet. Denken wir dabei nur an die Kirchenbauten preußischer Staatsarchitekten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts. Trotzdem ist des Bauen nach einem Bauplan unüblich. Schließlich war ein Sakralbau ein einzigartiger Ort zum Lobes Gottes.
Geschichte der Stadt Velten
Erste Siedlungsspuren stammen im Raum Velten übrigens aus der Bronzezeit. Ende des 12. Jahrhundert siedelten dort Bauern aus Veltheim am Fallstein. Veltheim wurde ostfälisch Velten genannte, daher also der Name. Die erste urkundliche Erwähnung war 1355, aufgrund des Verkaufs an das Adelsgeschlecht der von Bredow, die nun 300 Jahre den Ton angeben sollten. 1750 entstand die heutige evangelische Dorfkirche in einfachem preußischen Barock. Nichtsdestotrotz blieb Velten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ein Ackerdorf, um einen Anger herum. Doch um 1830 wurde Nahe dem Dorf ein Tonvorkommen entdeckt. Zuerst von einer Töpferwerkstatt genutzt, entstand 1835 die erste Ofenkachelfabrik. Im folgenden entstanden immer mehr Produktionsstätten. 1905 waren es dann 43 Fabriken, die übrigens eine Jahresproduktion von 100.000 Öfen erreichten. Demzufolge stiegen die Einwohnerzahlen rasant. 1850 waren es zuerst 500, 1900 jedoch sogar fast 7000 Veltener.
Geschichte der katholischen Gemeinde
Somit kamen nach 1891, infolge der weitgehenden Beilegung des Kulturkampfs, etliche katholische Arbeiterfamilien in den Industrieort Velten, der 1935 das Stadtrecht erhielt. Dort und in der Umgebung schätzte man inklusive der Saisonarbeiter in der Landwirtschaft 1892, 900 (ohne bis zu 600) Katholiken. Darüber hinaus zählte die Region zur 40km entfernten Pfarrei in Spandau. Demgemäß feierte der Spandauer Pfarrer Kirmes 1892 eine erst heilige Messe in Velten und berief eine Versammlung ein, zu der folgendes überliefert ist:
„In der ersten Zusammenkunft wurden Ziele und Aufgaben festgelegt. Der Herr Pfarrer vermisste das weibliche Geschlecht unter den Versammelten, weil auch sie teilnehmen sollen, hier in Velten eine Katholische Gemeinde zu gründen. Ferner ist es notwendig, daß hier ein Mittelpunkt geschaffen wird, um die verlorenen Schäflein wieder zu gewinnen. Freilich wird es schwer, das zu erreichen, was wir heute bestrebt sind. Es ist vor allem notwendig, einen Verein zu gründen, welcher uns die Mittel beschaffen kann, um einen Raum zu finden, wo vorläufig Laiengottesdienste [sic!] gehalten werden kann. Allmählich können wir ein Kirchlein bauen. Dazu wäre es notwendig eine Kirchenbausammelverein zu gründen. Es ist dazu vor allem notwendig ein Grundstück zu erwerben.“
(Q: Pfarrarchiv)
Was für ein ambitioniertes Programm! Zwar war so etwas nicht untypisch im Osten des Deutschen Reiches, jedoch selten so erfolgreich wie in Velten. Dort gründete sich ein Kirchbauverein. Dieser sammelte fleißig und man konnte das Baugrundstück erwerben ebenso wie erste Messgewänder organisieren. Ab 1895 gehörte Velten übrigens zur neugegründeten Pfarrei Reinickendorf unter Pfarrer Johannes Leopold Panske. Damit hatte man einen Gemeindegründer und Kirchenbauer erhalten.
Johannes Leopold Panske, der Erbauer von St. Joseph
Zu Pfarrer Panske dem Erbauer der vier katholischen Schwesterkirchen in Oranienburg, Velten, Wittenberge und Zehdenick zwischen 1895 und 1901 gäbe es vieles zu erforschen und berichten, folgende Informationen stammen von Robert Wolf (Oranienburg) und Marcel Gewies (Velten) und sind im Pfarrbrief Juni-August 2021 niedergeschrieben:
„Über Johannes Leopold Panske wissen wir, dass er am 15. November 1854 in Sluppi, Kreis Tuchel in der Provinz Westpreußen geboren wurde. Nach dem Theologiestudium an der Königlich Bayerischen Ludwig-Maximilians-Universität und der Zeit im Priesterseminar Gregorianum von 1878 bis 1880 empfing er am 31. Juli 1880 in München die Priesterweihe. Seit Juli 1887 war Panske ernannter Kuratus der Klosterkirche im Kloster vom Guten Hirten und wirkte als Seelsorger und Religionslehrer in Reinickendorf, das damals noch eine eigenständige Landgemeinde war, die 1920 in Groß-Berlin eingemeindet und seitdem Namensgeber des gleichnamigen Berliner Bezirks wurde. […] Pfarrer Panske trat im Jahre 1908, für heutige Verhältnisse ungewöhnlich jung, seinen Ruhestand an und zog nach Neuzelle, das seinerzeit zum Breslauer Bistumsgebiet gehörte. Dort verstarb er am 25. Januar 1919 im Alter von 64 Jahren und wurde auf dem dortigen Friedhof beigesetzt.“ (Gewies/Wolf, in: Pfarrbrief der Katholischen Kirchengemeinde Hennigsdorf, Juni-Juli-August 2021, S. 8f.)
Entstehungsgeschichte von St. Joseph
Im August 1895 war Grundsteinlegung. Weiterhin weihte Propst Dr. Joseph Jahnel, am 27. September 1896, die Kirche St. Joseph. Der Propst besuchte die Baustelle sogar zwischenzeitlich. Bereits 1901 wird Velten Pfarrei. Aus der katholischen Gemeinde dort gehen bis 1937 die Gemeinden in Tegel, Kremmen, Hennigsdorf und Leegebruch hervor. Doch bereits im Jahr der Pfarreierhebung findet sich in einem Protokoll des katholischen Arbeitervereins Velten, der aus dem Kirchbauverein hervor ging, diese Beschreibung des Gemeindelebens in Velten:
„Es sei zu bedauern, in der Gemeinde Velten seien ca. 500 Katholiken gemeldet, aber im Verein und in der Kirche sieht es bedauernswert aus. Die heilige Stätte ist am Sonntag fast leer. […] Wo sind die einst so brav erzogenen katholischen Kinder? Die Schuld daran hat die Lauheit und die Mischehen. Der hochwürdige Herr Pfarrer (Lohs) bat die Anwesenden, mit vereinten Kräften zu sorgen, um manchen verlorenen Katholiken wieder der Kirche und dem Verein zuzuführen.“
(zitiert nach Gewies/Wolf 2021, s.o.)
Umstände des Baus
St. Joseph in Velten entstand nach den(selben) Plänen Wilhelm Daßlers aus Oranienburg, wie 1895 die Herz-Jesu-Kirche in Oranienburg (runde Seitenkapellen), St. Heinrich in Wittenberg (1898) und 1901 Mariä Himmelfahrt Zehdenick. Der Nutzen dieses Vorgehens lag auf der Hand: Ein Architektenhonorar für 4 Kirchbauten und sicherlich ein vereinfachter Aufbau. Schließlich errichtet Daßler alle Kirchen mit seiner Bauunternehmung, in Velten unter Beteiligung des Ortsansässigen Maurermeister W. Brandt. Zimmerarbeiten durch Zimmermeister Georg Uhr aus Oranienburg.
Beschreibung der St.-Joseph-Kirche in Velten
Außen erkennen Besucher sogleich den roten Industriebackstein. Dieser wurde teilweise kunstvoll als Dekorelement eingesetzt. Darüber hinaus ist es durchaus besonders, dass neuromanische Stilformen nicht wie in der preußischen Tradition eines Friedrich August Stülers in gelbem Stein sondern in rot ausgeführt sind. Es ist somit gut möglich, dass Daßler sich in die Tradition dieser Kirchen stellte. Eine davon steht unweit von Velten in Pinnow (a. d. Havel). Weiterhin ist übrigens das figürliche Dekor am Außenbau aus Formsteinen, welche aus Katalogen von lokalen Ziegeleien stammte.
Schaut man von der Chorseite auf die Kirche fällt auf, dass die Anbauten der Apsis einfach und eckig ausgeführt wurden. Dahingegen sind diese Seitenkapelle in Oranienburg, 1 Jahr zuvor, übrigens ebenfalls rund endend ausgeführt. Große Kriegsschäden hatte St. Joseph zwar nicht. Darüber hinaus gab es jedoch viele Veränderungen im Kircheninnenraum, die längst nicht alle heute nachvollziehbar sind. Ganz prominent die Schließung der Herz-Jesu-Kapelle (um 1930) zur Nutzung als Nebensakristei, dann Abstellraum. Im Zuge der 125Jahrfeier wird überlegt die Kapelle neu einzurichten, z.B. als Marienkapelle.
Innenraum
Die Innenausstattung von St. Joseph wurde häufig überarbeitet. Entweder war der Hochaltar schadhaft und man ersetzte diesen durch eine Spende aus Aachen (1934) oder alle Altäre hatten den Holzwurm zu Gast (1946) und wurden durch Steinbauten ersetzt. Generell sind die Jubiläen wie beispielsweise die 50-Jahrfeier 1946 ebenso ein passen der Anlass.
Um 1930 Nach 1946
1963 gab es eine große Umgestaltung durch den Erfurtern Dombaumeister Erwin Gramse. Die heutige Ausstattung ist somit im Wesentlichen aus der Nachkriegszeit. Der Altar wurde 1976 verkleinert und der Tabernakel aus Kupfer auf eine Stele aus dessen Stein gestellt. Ebenso sind die Leuchter um den Tabernakel, der Osterleuchter und das Hängekreuz vermutlich von Hans Adolf aus Burg bei Magdeburg.
Darüber hinaus sind die Skulpturen der Gottesmutter und des hl. Joseph, welche die Seitenaltäre ersetzten, von Georg Nawroth aus Görlitz. Vom selben Künstler stammen übrigens die Kreuzwegbilder.
Weiterhin scheint der Taufstein aus einer der frühen Umgestaltungen. Ferne sind die mehrfarbigen Langhausfenster sowie die Orgelempore mit einem Instrument von Schlag und Söhne aus Schweidnitz in Schlesien aus der Erbauungszeit. Die beiden Apsisfenster öffnete man im Rahmen der Umbauten, vermutlich 1976.
Würdigung
Was bedeutet es im 19 Jahrhundert einen Grundplan für vier Kirchen zu realisieren? Es ist ein pragmatisches Eingeständnis. Denn die Diskussionen tendierten zum einzigartigen Kirchenbau. Trotzdem ist es zugleich eine sehr pragmatische Lösung. Außerdem ist keine der Kirchen ganz identisch, besonders im Inneren wurden ganz unterschiedliche Räume gestaltet. Dies ist umso mehr heute nach den Neugestaltungen so. Wie auch die Schwesterkirchen ist es ein besonderer historistischer Typ. Es ist, kurzum: Eine gute Mischung und ein Zeugnis von starkem Gründergeist, dort wo es sonst kaum katholisches Leben gab.
Weitere Links
Informationen zur Orgelbaufirma: https://www.orgellandschaftbrandenburg.de/orgelinventar/orgelbauer/schlag-s%C3%B6hne/
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