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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 12. April 2020
- Category: Kirchenporträts
Tägliche Kirche, Nr. 22 Akademiekirche St. Thomas Berlin-Mitte
Frohe Ostern, viel Segen und Kraft für diese besondere Zeit! Am heutigen Hochfest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, ist die Akademiekirche St. Thomas von Aquin #tägliche Kirche. Dieser Kirchenbau ist für normal Teil meiner Arbeit. Wohl der sakrale Ort in dem ich die meiste Zeit in den letzten Jahren verbringen darf. Kurzum derzeit ist es meine Kirche.
Baugeschichte und Baugestalt
Noch in den Planungen für ein Tagungszentrum in Berlins Mitte, war man sich unsicher, ob eine Kirche gebaut werden sollte. 1998 wird eine Kirche gebaut. Der Bau fügt sich ein zwischen Hotelneubau und Altbau, dem Domizil der Katholischen Akademie.
Wie ein Monolith wirkt der Kirchenbau umgeben von einem Kreuzgang. In seiner Schlichtheit erinnert er an monastisches Leben und klösterliche Einkehr. Das Büro Höger+Hare Berlin erichtete rund um einen Stahlbetonkern eine aus Granitsteinen geschichtete Kirche. Das Material der Pilgerkirchen auf dem Weg nach Santiago de Compostela wird hier geschichtet. Fast so wie die frühen Kirchen eine einfache Aufschichtung waren, übereinander gelegtes irdisches Material, das zum Himmel reichen soll. Die Granitsteine sind zwar mit Mörtel gemauert doch erhalten diese Wirkung. Durchbrochen sind die Steine von Glaselementen, einem Zeichen des Lichts. Auch hier die Erinnerung an das Leitbild der Gotik, der Einlass von Licht. Die Kirche St. Thomas von Aquin ist all das: mönchisch schlicht, gotisch Licht sowie zum Himmel hin gestapelt.
Innengestaltung
Der Innenraum ist nach oben hin jedoch verschlossen. Ein riesiger Tisch bildet den Abschluss. Das darüber liegende Dach ist nahezu nicht zu erkennen. Würden nicht Lichträume zwischen Tisch und Außenwänden den Tag hinein lassen, es wäre nicht zu erahnen. Ganz ohne Ornament löst dieser Baldachin das ein, was bereits die Gewölbe des Mittelalters versprechen: Gott ist Licht und der Himmel ist dessen reich durchflutet.
Diese Motiv des einfachen, archaischen Aufschichtens belebt auch den Innenraum. Der Altar ist nahe zu wie die Opfertische der Antike wuchtig aufeinandergelegter Granit. Das gleiche Material wie die Wände, doch dieses Mal ganz ohne Bindemittel. Der Mittelpunkt und Fluchtpunkt sowie das einzige prunkvolle Kunstwerk ist der goldende Tabernakel. Mitten in der Altarwand eingelassen scheint er, je nach Beleuchtung, zu schweben ein echtes Allerheiligstes. Dieses Zelt nimmt die Lineatur der Wand kongenial auf.
Das schlichte Kreuz steht daneben. Es ist einfach und dennoch voller Wert. Zertifiziertes Elfenbein, Bergkristall (als Nodus) und ein Stab aus jahrtausende alter Mooreiche bindet die Tradition des Glaubens und der Kunst zusammen.
Der Ambo ist filigran und wirkt wie ein horizontales Netzgewebe, das das Wort Gottes trägt. So wie die anderen beweglichen Ausstattungstücke nach Entwurf von Prof. Norbert Radermacher.
Da es sich nicht um eine Pfarrkirche handelt, fehlen ein Kreuzweg, ein Taufstein oder ein Beichtstuhl. Auch die Orgel der Firma Werner Bosch, Niestetal ist frei und reversibel nicht architektonisch mit dem Raum verbunden. Somit wird die kahle kubische Wirkung erhalten. Dies mag an die Pilgerschaft der Menschen zu Gott erinnern etwas, dass nicht durch Beständigkeit ausgedrückt werden kann.
Das Gestühl ist aus mehrschichtigem Holz gebaut und ergänzt stilvoll die Wirkung des Raumes. Ein Kunstwerk, welches zuerst nicht angedacht war, nun aber ein wichtiger Ort der Kirche ist, ist die Marienfigur, eine Mondsichel-madonna angelehnt an das apokalyptische Weib aus der Offenbarung des Johannes. Vermutlich ist sie eine Arbeit des niederrheinischen Bildhauers Jörg Lederer oder seines Umkreises aus der Zeit von ca. 1540-1560.
Würdigung
Auch wenn die Akademiekirche derzeit nur für das persönliche Gebet offen steht, ist Sie ein Anziehungspunkt mitten in der Stadt. Sonntags gibt es für normal 3 Heilige Messen für unterschiedliche Gemeinden. St. Thomas von Aquin ist ein Ort für die Andacht und für die Liturgie für die Vertreter der Weltkirche. Darüberhinaus finden regelmäßig Ausstellungen in der Kirche und im Kreuzgang statt. Aktuell ist die Ausstallung „Großer Engel und Nelly“ von Christina Doll zu sehen.
Überzeugend schlicht ist der 1999 eingeweihte Bau ein Höhepunkt des zeitgenössischen Sakralbaukunst, einen Besuch wert und täglich für Sie geöffnet.
Weiterführendes (extern)
Interne Links
Die Reihe im Überblick: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/
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