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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 21 Dezember, 2023
- Category: Kalender, Kirchenporträts
St. Christophorus, Berlin-Neukölln, 1932 (21.XII.23 – Kalenderblatt), Nr. 2: Entwürfe
St. Christophorus zählt zu den sagenhaften Heiligen der Kirche. Er war daher als (Mit-)Patron von Kirchen gefragt. Allein von Carl Kühn gibt es zwei Sakralbauten, die diesem Heiligen gewidmet sind: die Pfarrkirche St. Christophorus in Berlin Neukölln, 1932, und eine Kapelle in Boblitz (heute Polen). Über die erstgenannte Kirche eine von drei Geschwistern eher für den Berliner Innenstadtbereich geht es im Folgenden. Heute berichte ich von den verschiedenen Entwürfen u.a. von Hans Herkommer die es für die katholische Kirche am Neuköllner Reuterplatz. Übrigens alles Erträge aus der Abgabefassung meiner Doktorarbeit, die hier erstmals veröffentlich werden.
Der Entwurf von Hans Herkommer
Wie es zu dem Plan Herkommers für eine Kirche in Neukölln kam, ist zwar unklar. Jedoch ist anzunehmen, dass der 1927 verstorbene Pfarrer von St. Clara, Szillus, verschiedene Architekten angefragt hatte.
„Obwohl er [Pfr. Szillus, d. Verf.] inzwischen schwer erkrankte, zeigte er dennoch ein so großes Interesse für den Bau, dass er sich von dem Architekten im Beisein des stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchenvorstandes Herrn Christoph Funk, am Krankenbett im St. Hedwigkrankenhaus, die Pläne vorlegen ließ. Es lagen ganz herrliche Pläne vor, von denen aber keine wegen der Ungunst der Zeitverhältnisse zur Ausführung kommen konnte.“
PfAR St. Christophorus, Berlin-Neukölln, Chronik, Gemeindechronik St. Christophorus, gebundenes Buch, ab 1933, S. 21.
Überdies ist es sehr wahrscheinlich, dass der Pfarrer von sich aus aktiv wurde und um Vorschläge bei bestimmten Architekten bat. Vermutlich kam Hermann Josef Szillus über Carl Sonnenschein zu Hans Herkommer. So legt es ein Beitrag in den Monatsblättern für Architektur nahe, dessen Titelbild den Innenraumentwurf für Neukölln zeigt. Weiterhin hatte Herkommer auf der „Juryfreien Kunstschau Berlin“ im Jahr 1927 eine Christ-König-Kapelle gestaltet. Dort schuf er als Leiter einer Künstlergruppe, aus dem Südwesten Deutschlands, einen modernen, klaren, überzeugenden Raum. Neben Herkommers Sakralraum gab es auf der Ausstellung weitere 13 Kult- oder religiöse Räume, darunter die Passionskirche deren Raumgestalt Wilhelm Fahlbusch entwarf. Die Bauten wurden nach der Berliner Ausstellung wieder abgebaut.
Beschreibung des ersten Projektes für St. Christophorus
„In Berlin-Neukölln sollte 1927 eine neue Kirche erbaut werden. […] Hans Herkommer fertigte für diesen Bau Vorentwürfe an. Da das für den Kirchenbau vorgesehene Grundstück schmal und tief und von höheren Häusern umgeben war, sahen die Planungen Herkommers vor, den Bau weit von der Straße nach hinten zu versetzen. Ein größerer Vorhof vor der Kirche sollte so dieser Enge entgegenwirken.“
M. Lahmann, Herkommer 1990, S. 57.
Weiterhin beschreibt sie, dass der quer zu Straße liegende Bau höher als die Umgebungsbebauung gedacht gewesen sei. Schmale hohe Fenster in der Mitte des Baukörpers hätten den Innenraum beleuchtet. Zwei niedrigere Seitenschiffe und eine Eingangshalle mit einer durch drei Rundbögen geöffneten Halle sowie einem schmalen Turm waren ebenso Teil der Planung, der Innenraum war klar und einfach gedacht. Der Kirche vorgelagert, skizzierte Herkommer ein Ladengeschäft und das Pfarrhaus.
Das Berliner Projekt scheint erstmals ansatzweise die erfolgreiche Deckenlösung Herkommers aufzuweisen: ein flach gedeckter Raum, noch mit Seitenschiffen, dessen Längsträger aus Eisenbeton waren. Später entwickelte sich der Kirchenraum bei dem Stuttgarter Architekten weiter und wird: „[…] ein stützenloser Einraum, der durch die Abstufung in der Decke eine Dreiteilung, einen Anklang an das basilikale Schema beibehält, ohne das dafür einen konstruktive Notwendigkeit bestehen würde.“ (M. Lahmann, Herkommer 1990, S. 58) Da Herkommer bei dem basilikalen Schema blieb, bezeichnet ihn Welzbacher als einen konservativen Planer, der dadurch modern war, dass er zeitgenössische Konstruktionsmethoden anwandte.
Warum es nicht zur Umsetzung kam, hatte wohl mehrere Gründe. Zum einen war es ein für die Katholische Kirche Berlins sehr gewagter Entwurf. Andererseits waren die Projekte Herkommers schlichtweg zu teuer für die Möglichkeiten der Katholischen Kirche Berlins. So wurde z. B. für die repräsentative St.-Antonius-Kirche in Schneidemühl der Baupreis 1928 mit ca. 310 000 M angegeben. Ähnlich verhielt es sich bei der Frauenfriedenskirche des Katholischen Deutschen Frauenbundes in Frankfurt /Main. Dort wurde noch lange nach der Fertigstellung Geld gesammelt, da die Projektkosten den Bauherrinnen über den Kopf gewachsen waren.Für Neukölln war es am Ende Carl Kühn, der die Pläne lieferte. Dies geschah, während die Heilige-Familie-Kirche im Bau war.
Kühns Entwürfe für St. Christophorus
Der in der Chronik wiedergegebene Artikel zu St. Christophorus berichtet, dass der seit Mai 1927 als Pfarrer von St. Clara eingeführte Viktor Trawnik die Pläne seines Vorgängers wieder aufnahm und sich intensiv für eine zügige Umsetzung der Idee einer Kirche am Reuterplatz einsetzte. So musste nun eine realistische Lösung gefunden werden. Da lag der Delegaturbaurat als Architekt nahe. Bei dem Blick in die Baupolizeiakten ist auffällig, dass es viele Nachträge durch Kühn gab. Die Behörde des Bezirks forderte öfter Nachbesserungen, weitere Pläne und Änderungen. Dabei fallen drei unterschiedliche Turmfassungen als markante Unterscheidungskriterien bei Kühns Entwürfen auf, anhand derer die Genese der Planung beschrieben wird.
Entwurf mit einer spitzen Turmfassung
Kühns erste bekannte Einreichung hat das Datum 19. Februar 1929. Der baupolizeiliche Prüfstempel hinsichtlich der Statik ist vom Mai des Jahres. Bei diesem vollausgearbeiteten Projekt vermerkte Kühn einen Nachtrag zur Ausführung des Gewölbes im Hochschiff aus Schwemmsteinen.
Außerdem lieferte er hier seinen ersten Turmentwurf. Sommer benennt den 29. Januar 1929 als das Datum für die Entwurfsskizze mit dem ersten Turmvorschlag. Dabei entwarf Kühne einen spitzen, gebrochenen Giebel. Ein Kreuz aus unterschiedlich langen Schallöffnungen sollte fast den ganzen freien Giebelbereich des Turmes zieren. Somit wäre es zu einer wesentlich geringeren Trutzwirkung gekommen als bei der realisierten Form. Auch weil der Blendbogen über der Eingangshalle deutlich die Parabelform erhalten sollte. Ebenfalls wäre der Turm mit dem links geplanten Hausanbau von der Straßenflucht eingezogen gewesen. Im März 1929 musste eine Bodenuntersuchung veranlasst werden, da das Gelände abschüssig und sumpfig war.
Entwurf mit der ausgeführten Turmfassung
Das Abfallen des Baugrundes wollte man ausnutzen und die Kirche im Chorbereich mit Gemeinderäumen unterkellern. Auch eine undatierte Raumberechnung mit Platzangaben fand sich in den Akten. Kühn rechnete mit 528 Sitzplätzen, zuzüglich der Stehplätze wären 1566 Plätze möglich gewesen. Am 9. April 1929 erfolgte das Baugesuch mit dem Hinweis Kühns, dass die Statik für einige Eisenbinder, die Gewölbe und das Turmfundament noch folgten. Im Juli erteilte die Baupolizei den Bauschein jedoch mit weiteren Nachträgen. Aus dem Anschreiben Kühns geht hervor, dass allein zu einem Beanstandungspunkt 20 Unterpunkte von der Baupolizei Neukölln aufgemacht wurden. Kernkritikpunkte waren die Heizkesselanlage mit Warmwasserzufuhr, die Stabilität des Turmfundamentes und die Frage nach der Tragfähigkeit der Kellerdecken.
Darauf folgten Änderungen, auffällig war die Umgestaltung des Turmes. Nun war ein fast gleichmäßig starker Turmriegel mit Walmdach vorgesehen. Das linker Hand geplante Mietshaus wurde aus dem Ausführungsentwurf herausgenommen, ebenso die vorgesehenen Balkone am Pfarrhaus. Hier vereinheitlichte Kühn zudem die Fensterform. Das Giebelfeld am Portal gestaltete er flacher und die Halle reichte nun bis an das Pfarrhaus.1932 mussten noch Nachbesserungen am Keller durchgeführt werden. Die Baupolizei sperrte einige Kellerbereiche für den dauerhaften Aufenthalt von Personen. Die Gemeinde verlor einige dieser Kellerräume als Gruppenräume. Ein sich L-förmig an die Kirche anschließender, großer Gemeindesaal, der 1929 noch auf den Plänen erschien, wurde nicht errichtet. Stattdessen wurde aus den Räumen im Souterrain unter der Kirche ein Saal.
Entwurf mit der „Christophorus-Turmfassung“
In dem eingereichten Plan-Konvolut zum Antrag auf Bau des Mietshauses befindet sich die dritte Fassung des Turmes. Sie zeigte zwar ebenfalls einen breiten Turm mit Walmdach, doch wurde das Motiv eines großen Kreuzes, wie man es bei den ersten Zeichnungen durch die Schallöffnungen erzielte, hier wieder aufgenommen. Oberhalb der Traufhöhe der Wohnhäuser bildete die Backsteinfläche sich zu einer schmalen Christophorus-Darstellung aus, auf den Schultern der Jesusknabe, von einem Kreuz hinterfangen. Diese Bauskulptur trennt zwei Zwillingsschallöffnungen symmetrisch voneinander. Sie verläuft über drei leicht abgestufte Geschosse. In diesem Entwurf war auch eine dreifache, vertikale Zierbandgestaltung an den Rändern durch Backsteinbänder angedacht. Ebenso ist das Gesims mit verschiedenen Backsteinmustern gegliedert. Mittlerweile ist es wahrscheinlich, dass auch diese Entwurfsfassung vom November 1929 stammt. Anscheinend hatte Kühn nun in kurzer Folge drei Varianten vorgelegt. Dennoch sollte der Bau länger als geplant dauern.
Verlangsamter Bau
Im Vergleich zur Bauzeit der Heilige-Familie-Kirche verlängerte sich die Bauzeit um acht Monate. Diverse Gründe kommen hierfür zusammen. Der Entwurf schien lange diskutiert worden zu sein, worauf die verschiedenen Turmfassungen hindeuten, die Voraussetzungen des Baugrundes waren anspruchsvoll, die Baupolizei kontrollierte sehr genau, außerdem schien Carl Kühn seine Nachreichungen nicht fristgerecht gemacht zu haben. Er war als Diözesanbaurat in der Anfangsphase des Bistums mit zu vielen Aufgaben betraut. Anfang Februar wurde durch Hermann Kriegel im Auftrag des Diözesanbaurates die Rohbauabnahme beantragt. Diese erfolgte am 20. Februar 1931.Mit diesem Antrag steht eine interne Notiz der Baupolizei vom März 1931, dass die im November 1929 angekündigten Nachträge noch nicht eingetroffen seien und man den Architekten erinnert habe.
Am 25. Februar 1932 meldete Kühn die Fertigstellung des Baus und wies auf den geplanten und später tatsächlichen Weihetermin hin, den 6. März. Das zuerst aufgeschobene Wohnhaus zur Linken des Kirchbaus beantragte Pfarrer Trawnik am 30. Juni 1930 bei den Baubehörden beantragt. In seinem Schreiben teilte der Pfarrer mit, dass die Finanzierung gesichert sei. Weiter hieß es dort: „Wir glauben auch den Interessen der Neuköllner Einwohnerschaft zu dienen, wenn wir die Errichtung eines Wohnhauses betreiben, und bitten uns deshalb die gewünschte Bescheinigung zu erteilen.“ (Pfr. Trawnik, Bauantrag Mietshaus, 30.6.1930)
Die Genehmigung erfolgte im Juli 1930. Die Fertigstellung des zweiten Gebäudekomplexes scheiterte schließlich an den Schulden der Mutterpfarrei St. Clara, wo man zudem in diesen Jahren auch ein neues Pfarrhaus baute.
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