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Allerheiligen, Berlin-Borsigwalde

Für Borsigwalde war seit 1937 eine Kirche angedacht. Dort plante der Diözesanbaurat Kühn noch vor dem Krieg zwei unterschiedlich große Kirchenschiffe sowie ein Querschiff. Doch wurde nur das Pfarrhaus realisiert. Erst nach dem 2. Weltkrieg konnte nach Entwurf des Nachfolgers von Kühn, Felix Hinssen ein Kirche entstehen. Ihr markanter Turm und die klare Form des Saalbaus beeindrucken. Passend zum heutigen Hochfest Allerheiligen kommt folgerichtig dieser Beitrag von vor einem Jahr aktualisiert auf das Blog.

Vorgeschichte und Kühnentwurf

Die Verlegung der Borsig-Werke nach Berlin-Tegel brachte ferner die, von der Firma geförderte, Ansiedlung der Arbeiter und Angestellten in der Nähe der Produktionsstätten mit sich. Ab 1900 wurden dafür in dem ehemaligen Teil von Dalldorf (heute: Wittenau) Mietshäuser errichtet. Zu Beginn waren die Lebensbedingungen schlecht, da weder Wasser- noch Abwasserleitungen installiert waren. Der Ortsteil wuchs weiter an. Es kamen Arbeiter aus katholischen Regionen des Reiches und der Bedarf an seelsorglicher Versorgung wuchs.

Bereits vor der offiziellen Entstehung der Gemeinde am 1. April 1938, hatte Carl Kühn am 27. Dezember des Vorjahres für das Grundstück Räuschstraße 18–20 ein Skizzenprojekt erstellt. Der Baugrund wurde vom Gesamtverband der Katholischen Kirchengemeinden (Groß-)Berlins im Februar 1938 den Herz-Jesu-Priestern, die ab 1908 in Berlin in der Arbeiterseelsorge tätig waren, mit Nießbrauchrecht übergeben. Schließlich ging dort eine Kuratie aus Herz Jesu (Berlin-Tegel) hervor. Im Mai 1937 gewann man übrigens die Herz-Jesu-Priester für die Seelsorge im neuen Arbeiterquartier. Vorher waren Sie bereits im Berliner Wedding in der tätig. Denn Arbeiterseelsorge war ein Schwerpunkt des Ordens aus Frankreich.

Ansicht des Entwurfs von Carl Kühn, 1937, Q: ZR EBO Allerheiligen

Vorplanungen Kühns

Die ersten Skizzen zeigten eine Baugruppe, von der nur das Pfarrhaus (1938) errichtet wurde. Dafür fertigte der Diözesanbaurat detaillierte Ausführungszeichnungen. Das Pfarrhaus erhielt einen kurzen Flügelanbau, dieser beherbergte eine Notkapelle. Übrigens, der erste Spatenstich für diesen Bau erfolgte am 25. April 1938. Bereits einen Tag vorher konnten die Borsigwalder, in einer Bauhütte, die erste Heilige Messe in ihrem Ortsteil feiern. Die Entwürfe sind mit 27. Dezember 1937 datiert. Kühn setzte vor das, tief auf dem ca. 2 600 m² großen Gelände liegenden Pfarrhaus rechts eine Kirche und links ein Wohnhaus, wahrscheinlich zur Vermietung als Refinanzierungsmöglichkeit. Zwischen den Bauteilen plante er einen Pfarrhof. Dieser sollte weiterhin an zwei Seiten durch Kolonnaden begrenzt werden. Eine ähnliche Einbindung der Bauten schlug Kühn ebenso für Neuruppin 1937 vor.

Glasfenster aus der Sakristei des Altbaus, 8 Fenster mit Seligpreisungsmotiven aus den 1930ern, Foto: K. Manthey, 2017

Der 1. unrealisierter Kirchenbauentwurf

Ein Seitenturm diente als Portal. Dort war ein halbrunder Treppenturm für eine Wendeltreppe angesetzt mit der gleichen Traufhöhe wie das Kirchenschiff und das Mietshaus. Der Turm hatte oberhalb eines kleinen Fensters und in selber Linie übereinander zwei verschieden hohe Schallöffnungen. In der Skizze wies er ein niedriges Pyramidendach auf. Drei hohe Rundbogenfenster beleuchteten das Kirchenschiff, wobei zur Straße ein viertes dem Altarraum Tageslicht gab. Der Altarbereich war zur Hofseite eingerückt, dort war die Sakristei gedacht.

Grundriss vom Entwurfsplan Kühns, Q: ZR EBO Allerheiligen

Der Innenraum

Die Kirche für Borsigwalde sollte nach Kühns Beschriftungen im Plan 500 Personen Platz bieten (168 Sitzplätze). Interessant ist die Gruppierung der Bankreihen, eine lag direkt an der südlichen Außenwand, während an die gleich große, durch den Mittelgang getrennte Reihe, nach einer Stützenreihe ein breiter Gang anschloss. Somit entstand ein L-förmiger Bereich mit der Eingangszone unter der Orgelbühne und dem zum Innenhof hin liegenden Seitenschiff. Der bis zur Straßenwand ausgerichtete Altarraum hätte die Breite des so entstandenen Hauptschiffes gehabt. Links vom Hauptaltar, vor dem Chorbogen, war weiterhin ein Seitenaltar angedacht, ebenso wie rechts an der Stirnseite des Seitenschiffes. Dies wäre eine für Kühn bisher unbekannte Raumaufteilung. Er betonte zudem mit dieser Anordnung eine Ausrichtung zur Straße und zum Vorplatz hin. Lediglich das Pfarrhaus mit kleiner Kapelle konnte noch entstehen.

Bauzeitliche Außenansicht, historische Ansichtskarte, anfänglich ist der Glockstuhl noch nicht verglast, Q: PfAR Allerheiligen/ Freundeskreis, Jörg Schmidt

Bau der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg durch Felix Hinssen

Anfang Dezember 1953 erfuhren die Herz-Jesu-Priester inoffiziell, „dass aufgrund einer amerikanischen Spende Borsigwalde für einen Kirchbau in Aussicht genommen sei.“ Die Pläne lieferte Felix Hinssen (1899-1983), als 2. Diözesanbaurat übrigens seit 1946 der Nachfolger Kühns. Hinssen, geboren am 18. November 1899 in Danzig, studierte in Berlin, München und Breslau Architektur. Nach dem Diplom-Abschluss 1925 widmete er sich Studien und Reisen entsprechend seiner „besonderen Neigung zur Sakralkunst“.  Hinssen schied darüber hinaus in den 1960er Jahren aus dem kirchlichen Dienst. 

Historische Innenraumansicht, gut erkennbar die runde Gestaltung der 1950er Jahre, z.B. bei den Ambonen, Q: PfAR Allerheiligen/ Freundeskreis, Jörg Schmidt

Kirchenweihe

Ungünstiges Wetter und das Platzen des Altarsteins beim Schleifen zögerten den Weihetermin hinaus. Am 3. Juli 1955 konnte, nach 10 Monaten Bauzeit, geweiht werden. In der Chronik ist zu lesen:

„Endlich der Tag der Weihe! Dichtgedrängt erwartet eine große Gemeinde den Bischof. Nach der kurzen Begrüßung durch den Kuratus, der seiner Freude und Dank der Gemeinde Ausdruck gab, dass bischöfl. Wohlwollen den Bau ermöglicht, die Spende der Wooden Church Crusade zugedacht und Bitte um die Weihe. Er legte in der alten Kapelle die liturg. Gewänder an und zog in Prozession zum Portal, besprengte nach Anrufung der Heiligen die Außenmauern, öffnete die Tür […] In der Predigt schilderte der Bischof die Notwendigkeit einer Kirche, einer Gebetsstätte in der Stadt. Eine Stadt ohne Kirche im Zentrum ist eine Farce, wirkt leer. Die Menschen brauchen Gott, auch wenn sie ihn leugnen. Eine Gemeinde in der Mitte wird Kraftquelle für alle anderen und so legen wir mit dem Bau Zeugnis für Christus ab. Ein dankendes Tedeum schloss die kirchl. Feier […]“

Die Altarweihe mit Bischof Weskamm, 1955
Q: Jörg Schmidt: 55 Jahre Kirche Allerheiligen. Ein Rückblick, S. 14

Wooden Church Crusade

„The Wooden Church Crusade, Inc. Burlington, Wisconsin, USA“ war eine evangelische Organisation, die aus Amerika stammte und dort Spenden sammelte um Gotteshäuser entlang des eisernen vorhangs zu ermöglichen. Es sollten 49 Stück werden (für 48 US-Staaten und Washington).Aufgrund der Amerikanischen Erfahrungen waren zuerst Holz-Kirche angedacht. Es sollte ein Glaubens- und versöhnungszeichen sein und hatte auch eine politische Dimension. Meist wurden 25.000 USD pro Projekt zur Verfügung gestellt, trotz des Wechselkurses von 1 zu 4,2 durchaus keine riesige Summe.

Innenraum mit Backsteinwand, 2017, Foto: K. Manthey

Fortgang

Nach der Kirchweihe wuchs auch das Gemeindeleben weiter. 1958 stiftete eine Familie den Kreuzweg. Zu Weihnachten 1959 kam ein Bildteppich von Prof. Meyerspeer (Freiburg) in die Kirche und zu Ostern 1961 läuten ebenfalls erstmals 13 Glocken aus der Glockengießerei Monasterium in Münster. Doch schon Mitte der 1960er kommen erste Bauschäden und somit erneute Sammlungen. Dann folgen 1967 erste Sanierungsarbeiten, an deren Ende die innere Ausschalung mit Backstein steht.

Blick zum Tabernakel, Altarraumgestaltung von Paul Brandenburg, 1969
Foto: K. Manthey, 2017

Obenrein werden Mitte der1990er weitere Erneuerungs- und Baumaßnahmen durchgeführt. Seit Februar 2004 gibt es die„Freunde der Katholischen Kirche Allerheiligen Borsigwalde e.V.“. Darüber hinaus kommt es 2004 zu Fusion mit St. Bernhard Tegel.

Blick zur Empore, 2017, Foto: K. Manthey

Fazit

Felix Hinssens Bau für Borsigwalde wurde direkt mit dem Pfarrhaus von Kühn verbunden und von der Straße her links, statt bei Kühn rechts, angeordnet. Dieser 1954 bis 1955 entstandene Bau in seiner historischen Innenraumfassung ist ein hervorragendes Beispiel der Nachkriegsarchitektur. Sein markanter Turm steht für neue Wege im Kirchenbau. Dabei liefert Hinssen eine bewusst andere Lösung als der Entwurf Kühns – eine auf ihre Fernwirkung hin vermutlich bessere.

Eingang zur Kirche, Foto: K. Manthey, 2017
Die beleuchtete Maria, ist mein Lieblingsstück, Foto: K. Manthey, 2017

Links

Seite der Gemeinde und des Fördervereins: https://www.allerheiligen-berlin.de/

Homepage der zugehörigen Pfarrei St. Bernhard: https://www.sankt-bernhard-reinickendorf.de/

Mehr zu Wooden church crusade: https://www.evangelisch.de/print/120996

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