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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 20. Februar 2022
- Category: Kirchenporträts
St. Georg, Gollnow – Goleniów
St. Georg, der Ritterheilige gilt als Kämpfer für den Glauben und Bezwinger teuflischer Wesen. Gutmöglich, dass man damals, 1930, ihn genau deswegen als Patron erwählte. Als in der etwa 13.000 Einwohner großen Stadt in Westpommern eine katholische Kirche gegründet wurde. Damals war die Region darüber hinaus absolute Diaspora für katholische Christen. Doch die Umsiedlung deutscher Pommern gen Westen und die Besiedlung mit polnischen Menschen veränderte auch die religiöse Landschaft nachhaltig. Gollnow wuchs schließlich und hat heute mehr als 22.000 Bewohner.
Gemeindegeschichte
Die Gemeinde entsteht dort in Gollnow, da es mit dem Wachstum vermehrt Katholiken gibt. Hinzu kommen auch hier polnische (Land-)Arbeiter. Darüber hinaus war die damals über 100 Jahre bestehende Mutterpfarrei in Luisenthal (auch Louisenthal) nunmehr weniger gut erreichbar gelegen. Gollnow lag an der Bahnstrecke bspw. nac Stettin und bezüglich des westlichen Teils des ehemaligen Kreis Naugard war es günstig zu erreichen. Dort sollte ein Missionshaus mit Kapelle entstehen an dem sich die verstreuten Katholiken der großen Pfarrei sammeln konnten.
Zwar hatte die Stadt Gollnow in Bahn nähe ein Grundstück preiswert angeboten, doch der Kauf scheiterte dreimal aufgrund „antikatholischer Einstellung“ in der Stadtverordnetenversammlung schließlich, wie der fürstbischöfliche Kommissar für Pommern, Dr. Steinmann, 1928 an den Bonifaiusverein in Paderborn schrieb. Dennoch gelang es dem Luisenthaler Pfarrer Schuldei von Privatbauland zu erwerben. Welches er anscheinend später doch mit der Stadt tauschen konnte. Doch mit eigenen Mittel wäre so schnell kein Bauprojekt realisiert worden. Also beantragte man in Paderborn Bonifatiusmittel als sog. Vorzugsobjekt.
Baugeschichte und erster Entwurf
Aus einem Antragsformular erfahren wir, dass der Bauplatz in der verlängerten St.-Georgen-Straße lag. Bis zum Bahnhof waren es sieben Fußminuten im gesamten Einzugsgebiet soll es 400 Katholiken gegeben haben. Am Bauort waren es hingegen 200 bis 250. Ebenso sei vor Ort Ziegel der übliche Baustoff, der Architekt gab Nachlass beim Honorar und die Gemeinde sammelte seit 1927 Geld für einen Kirchenbau, also seit ihrer Gründung. Viel Geld war dabei noch nicht zusammengekommen, gut 300 Mark, bei anvisierten Baukosten von 49.700 Mark. Dies war der Stand 1928. In einem Erläuterungsbericht des Architekten aus Berlin wurde folglich die Einfachheit und Sparsamkeit des Baues hervorgehoben. „Zur Wahrung des kirchlichen Charakters ist die Kapelle mit einem kleinen Dachreiter versehen, der zur Aufnahme einer kleinen Glocke dienen kann und dessen Spitze mit einem Kreuz gekrönt ist.“ (Erläuterungsbericht von August Kaufhold, 7.4.1928, Q: Archiv Bonifatiuswerk [ABW], Akte Luisenthal, Fil. Gollnow). Viel mehr Worte verwandte der Entwerfende nicht zum ersten Bauvorhaben, daher ist dort noch nicht erkennbar in welcher Art das Dach ausgebaut wurde.
Der Architekt August Kaufhold
August Kaufhold zählte, übrigens, zu den gutbeschäftigten Kirchenarchitekten. Er wurde am 11. Dezember 1871 als August Alois Stephan Kaufhold in Düsseldorf geboren und verstarb in Berlin-Charlottenburg am 13. April 1941. Kaufhold soll anfänglich mit seinem Bruder Josef, der als Architekt in Düsseldorf tätig war, zusammengearbeitet haben. Er taucht im folgenden häufig bei katholischen Bauten zwischen 1906 und 1930 auf. Dabei sind elf ausgeführte Arbeiten von ihm im Berliner Raum bekannt. Seine erste fertiggestellte Kirche war St. Eduard in Berlin-Neukölln (1906/07), die letzte Erwähnung findet Kaufhold übrigens hinsichtlich der Gollnower Kirche (1930). Hammer-Schenk bemerkte, dass Kaufhold und Kühn als ältere, konservative Architekten mehr Einfluss genossen als die jungen, modernen wie Josef Bachem. Dies unterstreicht die Ausrichtung der katholischen Bauherren in der Region und das Gewicht dieser beiden Architekten.
Überarbeitung der ersten Pläne
Anscheinend war jedoch die erste Entwurfsskizze von Kaufhold in Paderborn nicht auf Gegenliebe gestoßen. „Der gesamte Grundriss ist zu zerrissen. Treppenhaus und Flure sind im Verhältnis zu den nutzbaren Wohnflächen bei weitem zu aufwendig. Dies Außengestaltung ist schlecht. Die Fenstereinteilung ästhetisch durchaus unzureichend“ (Äußerung M. Sonnen, Juni 1929, Q: ABW, Akte Luisenthal, Fil. Gollnow). Mit klaren Worten sparte der Gutachter des Bonifatiusvereins, Max Sonnen, nicht. Und das bei einem renommierten Architekten. Doch Kaufhold scheint dies hingenommen zu haben. Gemeinsam mit Max Sonnen entstand ein sehr überarbeitetes Projekt. Anstatt einer Verbundlösung wurden nun Kirche und Pfarrhaus klar getrennt. Ebenso war nun ein weiterer Flügelanbau, analog zum Pfarrhaus, für Schwestern angedacht. Zudem wurde die jüngst in Calau erbaute Kirche, St. Bonifatius, als Vorbild benannt. Dort kam das um 1930 als Spardach bekannte Lamellendach zum Einsatz. Empfohlen wurde das „System Hünnebeck“ eine 1927 auf den Markt gekommene Weiterentwicklung des Zollinger-Lamellendachs.
Streit um die Dachform
Dieses Dach war beim Berliner Ordinariat, in diesem Fall Diözesanbaurat Carl Kühn nicht beliebt. Wie aus einem, übrigens, erst für diesen Beitrag ausgewertetem Brief des Bauherrn Pfarrer Schuldei aus Luisenthal vom 28. Juni 1930 hervorgeht. Carl Kühn hatte das Projekt abgelehnt, obwohl der Bonifatiusverein dafür war und die Bodenarbeiten schon begonnen hatten. Schließlich wirkte Prälat Dr. Steinmann aus Stettin auf Bischof Dr. Schreiber ein. So dass er sich einmalig gegen vorher getroffene Entscheidungen stellte. Sicherlich auch sinnvoll bei einer so komplizierten Baugeschichte (Brief August Kaufhold, 2. Juli 1930, Q: ABW, Akte Luisenthal, Fil. Gollnow). Dank dieses Hintergrunds sind die Baupläne von Kaufhold erhalten. Immerhin ist die Kirche in Gollnow sein letztes, mir bekanntes, Sakralbauprojekt. Während Carl Kühn ab 1930 seine produktivste Phase hatte, wurde es um den ungefähr gleichaltrigen August Kaufhold still.
Der errichtete Bau, die 1. Kirche
Am 27. Juli 1930 legte man den Grundstein und wenig später, am 27. Dezember 1930, wurde die St.-Georgskirche durch Bischof Dr. Schreiber konsekriert. Es ist gutmöglich, dass die Straße des (ersten) Grundstücks namensgebend war. Es entstand ein Ensemble aus Saalkirche mit Stufengiebel verbunden mit einem kleinen Pfarrhaus. Der leicht eingezogene Chor hatte die Sakristei an der Seite, darüber ist er seitlich beleuchtet in geht in der Höhe bis zum First. Im vorderen Bereich sind beide Gebäude bis heute verbunden. Im Bauplan wurde dieser ursprünglich eingeschossige Teil, übrigens als Bibliothek bezeichnet. Kirche und Pfarrhaus weisen den markanten, kielähnlichen Formen des Lamellendachs auf. Über den bauzeitlichen Innenraum kann ich derzeit keine genauen Angaben machen. Jedoch ist es naheliegend, dass dieser sehr schlicht ausgestaltet war.
Die Zeit nach 1945 und die Erweiterungen von St. Georg
Im März 1945 näherte sich allerdings die rote Armee der Stadt. Die Deutschen Einwohner flohen gen Westen. Ferner war Gollnows Innenstadt stark kriegszerstört. Die St. Georgskirche war infolgedessen das einzige nutzbare Gotteshaus. Ab August 1945 verwaltet die polnische Kirche die ehemaligen deutschen Gemeinden. Schon ab 1946 wuchs die Gemeinde, somit wurde die Kirche um ein Seitenschiff erweitert.
Schließlich waren die Innenstadtkirchen wieder nutzbar, St. Katharinen wurde nun erstmals nach der Reformation wieder katholische Pfarrkirche, St. Georg eine Filiale. Doch in den folgenden Jahrzehnten stieg die Einwohnerzahl weiter. Darüber hinaus änderte sich der Zuschnitt der Gemeinde, St. Georg wurde selbständige Pfarrei. So dass Mitte der 1980er Jahre anstelle des ersten Anbaus ein wesentlich größerer Neubau aus Stahlbeton errichtet wurde.
Dieser hatte nun eine Zeltform. Vom Altbau blieben außerdem noch die Giebelwand und vermutlich eine Seitenwand erhalten. Die Lamellendachkonstruktion hingegen verschwand. Ebenso wurde der Verbindungsbau von einst aufgestockt. So erging es, übrigens, vielen katholischen Diasporakirchen, die einst zum Bistum Berlin und anderen gehörten. Sie wurde erweitert und stark umgebaut. Denn auch für die polnische Kirche war es in der kommunistischen Ära in Polen nicht leicht Bauprojekte umzusetzen. Also blieb man pragmatisch und baute sozusagen an. Zuletzt wurde die Kirche 2016 grundlegend saniert.
Würdigung
Die Geschichte von St. Georg in Gollnow begann zuerst als kleine Diasporakirche mit wenigen hundert Seelen vor 93 Jahren. Damals war der Bau zudem sorgenvoll. Es ging um günstiges Bauen und Diskussionen zur richtigen Dachkonstruktion. Die Kirche steht somit pars pro toto für viele Kirchen, die in der produktiven Zeit zwischen 1926 und 1938 mit Hilfe des Bonifatiusvereins in Paderborn errichtet wurden. Der erste Bau war schlicht und klein, die letzte Erweiterung wirkt ebenso gewöhnungsbedürftig doch irgendwie auch spannend. Ich kann diese Kirche unweit von Stettin hoffentlich bald selbst besuchen.
Links
Dies Homepage der Pfarrei: http://swjerzy.goleniow.pl/historia-parafii/