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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 7. August 2022
- Category: Kirchenporträts
St. Nikolai Treuenbrietzen
St. Nikolai in Treuenbrietzen ist die zweitälteste katholische Kirche im Bereich des Erzbistums Berlin. Ebenso wie die älteste, übrigens auch eine Nikolaikirche, jedoch aus dem 12. Jahrhundert in Brandenburg an der Havel, ist die Treuenbrietzener Kirche von der evangelischen Gemeinde übernommen worden. Hier gepachtet und dort in Brandenburg abgekauft. Beide Kirchen zeugen von dem schon im Mittelalter sehr beliebten, antiken Bischof Nikolaus von Myra. Er ist bis heute ein Vorbild für groß und klein, seine Geschichte wurde offensichtlich schon bei der Christianisierung der Mark Brandenburg mitgebracht und seit dem Hochmittelalter in unserer Gegend verbreitet. Davon zeugen überdies etliche Kirchen dieses Namens bis heute.
Die Geschichte der Stadt Treuenbrietzen
Zuerst gab es dort in der Mitte des Flämings einen slawischen Wall. Dieser wurde zu einer Burg der Askanier erweitert. Um 1300 gab es inzwischen einen Markflecken von einer Mauer umgeben, Brietzen genannt. In dieser Zeit bildeten sich um die beiden Kirchen St. Marien und St. Nikolai Siedlungskerne uns somit ein ovaler Stadtgrundriss. Wenig später übrigens sollen die Bürger ihrer Herrschaft bei einer Auseinandersetzung die Treue gehalten haben. Spätestens ab dem 15. Jahrhundert hieß die Stadt infolgedessen „Treuenbrietzen“. Die Stadt entwickelte sich, lag sie doch an der Kreuzung zweier Handelswege von Magdeburg gen Osten und von Leipzig nach Berlin. Handel und Handwerk kamen hinzu. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Treuenbrietzen in großen Teilen zerstört und später wieder aufgebaut.
1902 kam die Eisenbahn, im Zweiten Weltkrieg Rüstungsindustrie und schließlich das traurige Ende, im April 1945, mit dem Massaker von Treuenbrietzen. Dabei ermordeten deutsche Militärs 127 italienische Kriegsgefangene und wenig später Rotarmisten mindestens 30 vielleicht sogar 166 deutsche Zivilisten. In der DDR-Zeit waren Fahrzeugbau und Rinderzucht die wirtschaftlichen Kernfelder der Stadt.
Übrigens eine weniger traurige Episode ist die Ballade „Sabinchen war ein Frauenzimmer“, ein Bänkelgesang, der auf Jahrmärkten und Festen große Verbreitung fand. Denn in dem moralisierenden Lied geht es um einen Schuster aus Treuenbrietzen, welcher Sabinchen ein schlechter Ehemann ist. Anlässlich dieses Gassenhauers gibt es jährlich Sabinchenfestspiele in der Stadt.
Baugeschichte und Gestalt der Kirche St. Nikolai in Treuenbrietzen
Kurz nach der Ersten Stadtkirche, St. Marien, die 1217 im Osten des Stadtkerns begonnen wurde, startete der Bau einer zweiten Pfarrkirche im Südwesten des Mauerrings gegen Mitte des 13. Jahrhunderts. Dass es zu einer zweiten Pfarrkirche bei der überschaubaren Stadtgröße kam, deutet auf das wirtschaftliche Potential der Stadt und ihre geografische und strategische Wichtigkeit im Spätmittelalter hin. Die kirchliche Herrschaft lag zu jener Zeit bei den Zisterziensern aus Zinna. Deren Kloster lag zwischen Jüterbog und Luckenwalde ungefähr 26 km entfernt. Ein dreischiffiger Backsteinbau auf kreuzförmigem Grundriss entstand, eine rippengewölbte Pfeilerbasilika mit apsidialen Abschluss am Chor des Hauptschiffs und Seitenschiffen sowie leicht hervortretenden Kreuzarmen am Querhaus.
Einzigartig ist der, zwar erst im Barock (1776) abgeschlossene, jedoch schon anfänglich angelegte Vierungsturm. Dafür war der restliche Teil bereits Ende des 13. Jahrhunderts (weitgehend) fertiggestellt. Die südlich an den Chor angebundene Sakristei wurde später angebaut, 1519 mit einem Sterngewölbe bedacht und somit abgeschlossen. Die Außengestaltung ist zisterziensisch schlicht und nimmt offenkundig Anleihen an brandenburgischen Ordensbauten, wie beispielsweise in Lehnin. Zwischen 1969 und 85 wurde die Kirche unter starker Mitwirkung der Gemeinde restauriert und im ursprünglichen, frühgotischen Raumeindruck wieder hergestellt.
St. Nikolai Innenraum
Im Inneren eröffnet sich ein einzigartiger Raum. Die Decke ist vollkommen als Rippengewölbe ausgeführt. Das südliche Seitenschiff wurde im Rahmen der Erneuerung als Gemeinderaum abgetrennt. Beeindruckend ist die Raumhöhe des Langhauses. Die Fenster des Obergadens erhellen den Raum von oben mit Tageslicht. Die Befensterung ist nun hell oder klar verglast. Die Kalotte im runden Chorabschluss des Hauptraumes weist
Reste einer Deesis-Darstellung aus dem frühen 15. Jahrhundert auf. Zu sehen sind in der Mitte thronende Christus am Ende der Zeit sowie Maria und Johannes bei ihrer Fürbitte für die zu richtenden Seelen. Ebenso sind Reste frühgotischer Farbigkeit an Rippen und Diensten im Querhaus noch erhalten.
Geschichte der Katholischen Gemeinde St. Nikolai Treuenbrietzen
Der erste katholische Gottesdienst nach der Reformation war 1908. Übrigens hatte Luther selbst, im nahe zu Wittenberg gelegenen Treuenbrietzen, seine Thesen verkündet. Da man ihm den Zugang zur St. Marien verwehrte, predigte er Ende der 1530er Jahre unter einer Linde davor. Überdies muss die westliche Gegend Brandenburgs in der frühen Reformationszeit ein Dreh- und Angelpunkt des Geschehens gewesen sein. War doch das Jüterboger Gebiet dem Magdeburger Erzstift zugehörig, also predigten dort Johannes Tetzel den Ablass ebenso wie Thomas Müntzer die Erneuerung. Somit stand Treuenbrietzen zwischendrin, als schließlich 1539 Joachim II die Reformation in Brandenburg offiziell einführte.
1911 wurden die Katholiken vor Ort zunächst Jüterbog zugeteilt 1934 dann der Gemeinde in Belzig, zu er das heute wieder zählt. Mit Propst Hubertus Bönigk, einem vertriebenen Geistlichen aus der Freien Prälatur Schneidemühl, kam nach dem Zweiten Weltkrieg ferner ein eigener Seelsorger. Also waren es um 1955 1100 Katholiken im Bereich Treuenbrietzen und es entstand eine selbstständige Kuratie (vermögensrechtlich und zuvor schon seelsorglich). In dieser Zeit genossen die Katholiken zunächst Gastrecht in den beiden Stadtkirchen. Später jedoch wurde eine ehemalige Kegelbahn und darauf ein Tanzsaal genutzt. Infolge von Flucht und Vertreibung wuchsen in dieser Phase die katholischen Gemeinden ebenfalls.
Die Nikolaikirche ist im Besitz der evangelischen Gemeinde und wird seit 1968 vom Bistum gepachtet. Seit 1973 konnte dort Gottesdienst gefeiert werden. Jedoch brauchte die vollständige Herstellung der Kirche bis 1985. Für die Sanierung der Kirche sammelten auch die Katholiken West-Berlins 100.000 DM anlässlich des 50. Geburtstages von Alfred Kardinal Bengsch. Zunächst hatte die Ortsgemeinde, ab 1945, das Patrozinium „Unbeflecktes Herz Mariens“. Jedoch entschied man sich 1994 den Namen der Kirche anzunehmen, „St. Nikolaus“. Seit 2006 gehört Treuenbrietzen wieder zu (Bad) Belzig, dort waren es insgesamt zum Zusammenschluss gut 800 Gläubige auf 1000km².
Ausstattung von St. Nikolai
Zur historischen Ausstattung der Kirche zählt ein Heiland an der Geißelsäule aus Holz und farbig gefasst. Er stammt aus Spanien (um 1500) und war ein Geschenk von Kardinal Meisner an die Gemeinde. In seiner Zeit als Berliner Bischof schenke Meisner, übrigens, vielen Gemeinden mittelalterliche Kunstwerke. Ebenso ist die spätgotische Schnitzarbeit des Kirchen-Patrons Nikolaus ein Geschenk des späteren Kölner Erzbischofs.
Die Maria-Immaculata-Figur im Westen des begehbaren nördlichen Seitenschiffs ist eine Halbreliefarbeit um 1900 in neugotischen Formen. Wesentlich später erhielt die Figur ihren Strahlenkranz. Hinzu kommen zwei Apostelfiguren aus dem 17. Jahrhundert, wohl Leihgaben. Darüber hinaus fällt der Taufstein in der linken Seitenapside aus Sandstein auf. Das barocke Postament mit Eckvoluten erhielt später die einmontierte Taufschale. Es handelt sich ebenfalls um eine Leihgabe.
Neueren Datums sind der Altartisch aus Eiche wohl „aus einem Kloster im Westen“ aus den 1970er Jahren (Q: Inventar Goetz 1997). Weiterhin kam Tabernakel mit zum Altar passender Eichenholz-Stele, Tabernakelkasten gestaltet mit 35 Bergkristallen und 12 orangebraunen Schmucksteinen (als 12 Stämme Israels) als Geschenk des Bonifatiuswerks aus Paderborn.
Würdigung von St. Nikolai Treuenbrietzen
Mittlerweile überaltern die Kirchengemeinden im Brandenburgischen Großteils ebenso stagnieren die Einwohnerzahlen. Nichtsdestotrotz gibt es nur zwei mittelalterliche Kirche in katholischer Nutzung im Bereich des Erzbistums Berlin. Beide sind besondere Zeitzeugen mit bewegter Geschichte. St. Nikolai ist eine kleine Attraktion, etwas abgelegen, jedoch mit sehr vielen Belegen für die wechselhafte Kulturgeschichte unserer Region. An Ihr lässt sich zudem bis heute der Gründergeist und Glaube der mittelalterlichen Bürgerschaft ablesen. Ebenso sind Spuren der Zisterzienser als Urbarmacher der Mark zu erkennen. Auf- und Abstiege vom Mittelalter bis in den Barock und darüber hinaus Brüche und Lösungen des 20. Jahrhunderts. Immer noch steht diese Kirche dort. Beeindruckend, einladend abkühlend und unaufgeregt. An sich ein Ort für jeden der den Weg findet. Wer hinein möchte kann sich nach telefonischer Absprache aufschließen lassen (hier finden Sie die Kontaktdaten) Solche besonderen Schätze gilt es zu bewahren, nur wie?
Links
Eintrag zu den beiden Treuenbrietzener Kirchen auf Routen der Romanik in Berlin und Brandenburg: https://rrbb.info/suedwestliche-route/treuenbrietzen-st-marien-und-st-nikolai (5.8.22)
anscheinend die neue Seite der Gemeinde: https://gerthomas3.wixsite.com/bonifatius
Alte Seite der Gemeinde: http://www.stbonifatius-badbelzig.de/index.php (5.8.22)
Quellen
Denkmaldatenbank Brandenburg, unter: https://ns.gis-bldam-brandenburg.de/hida4web/view?docId=obj09190433.xml;query=;brand=default;doc.style=gridview;blockId=d94215e2;startDoc=1
(7.8.22), Dehio Brandenburg, 2012, S. 1114 f.; unter: https://ns.gis-bldam-brandenburg.de/HTML-8336/TreuenbrieNikolaiKi.pdf.html (6.8.22); Ungedrucktes Inventar von St. Nikolai Treuenbrietzen, erstellt von Dr. Christine Goetz (+) 1997; Matthias Brühe, St. Bonifatius Belzig [und St. Nikolai Treuenbrietzen], in: Schwillus/ Brühe 2009: Erzbistum Berlin, S. 201; Goetz/Beyer 2017: Stadt. Land. Kirche, S. 154.
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