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Heilig Kreuz, Mildenberg

Beim Bau der Bahnstrecke Templin-Zehdenick, 1887, wurden nahe Mildenberg an der Havel Tonvorkommen entdeckt. Schließlich wurden dort in mehr als 50 Ziegelöfen Baumaterialien produziert. Dies geschah übrigens bis in die 1950er Jahre per Hand. Daraufhin löste die maschinelle Fertigung den Manufakturbetrieb ab. Mildenberger Ziegel wurden zumeist über die Havel nach Berlin geschifft. Dort entstanden die Häuser der Metropole. Viele davon waren wenige Wohnens wert, so z.B. die unzähligen Mietskasernen mit überfüllten und dunklen Zimmern.

Übersicht des Pfarrgebietes von Zehdenick 1933, Q: ABW Mappe Zehdenick

Für das Dorf Mildenberg bedeutete diese Entwicklung dagegen einen starken Aufschwung. Viele Ziegeleiarbeiter kamen dorthin. Darunter waren ebenso Katholiken. So kam es, dass der Pfarrer der gut 8 Kilometer entfernten Stadt Zehdenick (Seit 1901 eigene Kirche und Priester), Gottesdienst in Mildenberg und den Orten der Umgebung hielt. Darüber hinaus konnte später eine Religionslehrerin für die katholischen Kinder angestellt werden. Heute gehört Mildenberg zur Stadt Zehdenick. Die Gemeinde fusionierte 2003 mit Herz Jesu in Templin, gut 1300 km² und 1100 Gläubige gibt es dort nun. Mildenberg selbst ist heute durch sanften Tourismus an der Havel und das Museumsareal „Ziegeleipark“ bekannt.

Umschlag aus dem Pfarrarchiv an den Gutsbesitzer Brockmann, Q: PfAr Zehdenick

Geschichte der Gemeinde in Mildenberg und ihres Förderers Brockmann

So wie bereits in der Muttergemeinde waren die Katholiken von Mildenberg einfache, oft Polnisch stämmige Arbeiter. Pfarrer Franz Krus (in Zehdenick von 1924-37) hatte allein gut 1400RM an jährlichen Fahrtkosten errechnet als er um Unterstützung zur Anschaffung eines Autos bat. Das zeugt von immensen Wegen, die die Diasporageistlichen zurücklegen mussten. Für den Kapellenneubau in Mildenberg ist eine Person entscheidend. Der Rittergutbesitzer Hermann Brockmann – er stammte aus Westfalen. Er hatte mit 234 Hektar das zweitgrößte Gut in Mildenberg gekauft und engagierte sich im der Pfarrgemeinde. Dort war er der stellvertretene Vorsitzende im Kirchenvorstand (d.h. wichtigster Finanzmann neben dem Pfarrer). Brockmann gründete einen Kirchbauverein und schenkte sein Land.

Ansichtszeichnung von Carl Kühn 1936, Q: PfAr Zehdenick

Somit kam es zu einem leicht erhöhten Bauplatz im Osten des Ortes an der Dorfstraße gelegen, gut 600m von der evangelischen Kirche entfernt, einem Feldsteinbau aus dem 13. Jahrhundert, übrigens, mit Ausstattung des 18. Jahrhunderts. Der Gönner Brockmann wurde in den Wirren der letzten Kriegswochen von sowjetischen Soldaten umgebracht. Durch die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Gemeinde von Zehdenick auf mehr als 2000 Gläubige an (1938: 1150 von ca. 20.000 Menschen).

Bild vom Richtfest, 1936, Hier ist die Bauweise gut ablesbar. Q: Bild in der Kapelle

Der Bau der Kirche

Der Kirchenbauverein wurde im Sommer 1936 gegründet. Den Grundstein legte man kurz darauf im September des gleichen Jahres. Am 6. Mai 1937, dem Himmelfahrtstag, erfolgte die Benediktion der Kapelle durch Domkapitular Bernhard Lichtenberg (1875-1943). Sogar eine kleine Prozession durch das Dorf mit „kleinen nationalen und kirchlichen Fahnen“ gestattete die örtliche Polizeibehörde damals (Brief der Polizei an Pfr. Krus vom 4.5.1936). Der Architekt war übrigens Diözesanbaurat Carl Kühn (1873-1944). Für eine Gemeinde von ca. 450 Katholiken plante er eine Kapelle mit 90 Sitz- und 210 Stehplätzen. Das Baugrundstück war sicher. Ebenso wurde zügig das Antragsverfahren durchgeführt. Nachfragen der Baubehörden bearbeiteten Pfarrer Krus und Baurat Kühn schnell.

Erster Handskizzenentwurf von Kühn, coloriert zur Vorlage bei Anträge, Oktober 1935, Q: PfAr Zehdenick

Man wollte keine Zeit verlieren, zu unsicher war bereits das Klima zwischen nationalsozialistischem Staat und der katholischen Kirche Berlins, Brandenburgs und Pommerns zwei Jahre vor Kriegsausbruch. Davon zeugt der Rege Schriftverkehr zwischen Pfarrer und Architekt Mitte 1936. Zeitweise kam Kühn mit den Antworten nicht hinterher. An einer Stelle schreibt er: „Schneller ging die Sache nicht zu machen. Es ist nicht wenig Arbeit“ (Brief Kühn an Pfr. Krus, 26.5.1936). Die entstandene Kapelle hatte, wie geplant, dann rund 12.000 RM gekostet. Ein großer Anteil davon (rd. 10.000 RM) kam durch den Bonifatiusverein für die Diaspora dazu. Somit war jedoch die Ausstattung noch nicht angeschafft.

Grundriss, Reinzeichnung, Carl Kühn 1936, Q: PfAr Zehdenick

Der Außenbau

Kühn lieferte mindestens zwei Planfassungen, deren Unterschiede ich jedoch gering zu sein scheinen. In einer colorierten perspektivischen Skizze vom Oktober 1935 sind die Tür und der kleine Sakristeianbau noch anders gelagert als bei der ausgeführten Kirche. Carl Kühns Baubeschreibung passte in Stichpunkten auf einen Briefbogen. Daraus ist zu entnehmen, dass das Betonfundament 38 cm über den Boden herausragen soll. Darauf wurden Steine gemauert und diese schließlich verputzt. Der kleine Turmvorbau war ebenso wie das Dach eine Holzkonstruktion (bis auf das Erdgeschoß) der Zimmerleute. Also wurde auch der Turmschaft mit Dachdeckung verkleidet (s. Abb. oben). Der Bodenbelag waren flache Backsteine auf Sand mit Zement verfugt. Also alle Arbeiten führte man einfach und kostengünstig aus. Dafür sorgte der Bauunternehmer Josef Mrugalla aus Zehdenick. Es gab keine Heizung und die ersten Fenster bestanden aus Notverglasung.

Das Kapelleninnere in Mildenberg

Blick in Richtung Altar, Foto: K. Manthey, 2014

Die späteren bleiverglasten Fenster kamen dann 1938 übrigens von den bekannten Glas- und Mosaikwerkstätten August Wagner aus Berlin. Von Carl Kühn stammte der Entwurf für den Hochaltar. Zwar schlug er zeichnerisch ebenfalls einen Korpus vor, diesen realisiert jedoch der Kempener Künstler Fritz Wingen (1889-1944). Er arbeitete zeitweise in Berlin. Dort hatte er große Aufträge in St. Matthias und St. Ludgerus (der ersten Kirchen der Matthiasgemeinde) in Schöneberg umgesetzt. Anscheinend hatte Pfarrer Krus zunächst eine andere Künstlerin im Blick. Überdies ist es wahrscheinlich, dass der Künstlerseelsorger Melchior Grossek (1889-1967) ihn bei der Suche Ratschläge gab. Krus war so umtriebig, dass er sogar staatliche Förderung akquirierte. So etwas war mitnichten selbstverständlich im Nationalsozialismus. Kurz nach der Einweihung im Mai 1937 brachte Wingen sein Werk am Kreuz des Hochaltars an. Der restliche Aufbau sowie der Altartisch aus gemauerten Feldsteinen scheinen dem Entwurf Kühns zu folgen.

Ebenso kam es über Vermittlung des Bonifatiusvereins in Paderborn zu Ausstattung aus dem Bistum Rottenburg(-Stuttgart). Aus dem Dorf Tigerfeld und seiner im Kern gotischen Pfarrkirche St. Stephanus wurden 3 Glocken und 2 „gotische“ Altäre angeboten. Der dortige Pfarrer Otto Gauß einigte sich mit seinem Zehdenicker Confrater auf die Übermittlung der kleinsten Glocke und vermutlich weiterhin einen Altar(teil)s. Weiterhin kamen ein Paramentenschrank und Harmonium aus Templin. Dort war 1935 die Herz-Jesu-Kirche von Kühn geweiht worden. Darüber hinaus sind heute zwei keramische Heiligenfiguren als Seitenaltäre neben dem Chorbogen zum eingezogenen Altarraum aufgestellt. Ebenso gibt es einen Kreuzweg, der vermutlich aus gerahmten Öldrucken besteht.

Zusammenfassung und Würdigung

Heute ist Heilig Kreuz in Mildenberg Teil einer großflächigen Gemeinde. Gottesdienste finden nur noch 14tägig statt. Ich habe die Kapelle vor 8 Jahren besucht. Seitdem habe ich die Kirche noch gar nicht aufgearbeitet. Mit 2022 beginnt das 10. Jahr dieses Blogs. Also ein guter Anlass, um die Kapelle hier vorzustellen. Schließlich ist sie durch ihre Geschichte, die involvierten Persönlichkeiten, die exponierte Lage sowie ihre einfache und dennoch eindrucksvolle Wirkung bemerkenswert. Insofern, da der Architekt hier einige seiner Kniffe umsetzte. So zum Beispiel die Erhöhung des Kirchenraums durch Einbeziehung des Dachs. Gotteshäuser, wie das in Mildenberg sind Zeugen einer verlorengegangenen Zeitschicht. Dabei geht es um den Aufbruch der Katholiken in der Nordostdeutschen Diaspora. Wer bei dem Besuch von Mildenberg Zeit hat sollte die Kirche zumindest von außen in Augenschein nehmen. Ich habe es mir erneut vorgenommen.

Blick zurück, Foto: K. Manthey, 2014

Links

Seite des Ziegeleiparks

Seite der Pfarrgemeinde: http://www.pfarrei-templin.de

Ein spätes Werk von Fritz Wingen

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