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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 18 April, 2020
- Category: "Der Bunningplan"- Gemeindeplanung ab 1926, Kirchenporträts, Kleine Beiträge
Tägliche Kirche, Nr. 28, St. Konrad, Schöneberg
Nachdem gestern die älteste Kirche im Erzbistum Berlin Thema war, stelle ich dieses Mal einen alt-jungen Sakralbau vor – St. Konrad, Schöneberg. Etwas unscheinbar und trotzdem voller Details und Schönheiten entdeckte ich 2018 die Kirche St. Konrad. Nach der Kirchen-Führung dort im Schöneberger Süden habe ich die Führung online gestellt. Hier kommt sie als #täglichekirche in leicht abgeänderter Form.
Die Gemeinde im Schöneberger Südgelände beginnt Ihre Geschichte mit der Übergabe einer Namensliste an den neu in Berlin eingetroffenen dritten Bischof Konrad Graf von Preysing-Lichtenegg-Moos (1880-1950), 1935. Ihm übermittelten die Katholiken südlich der Nord-Süd-Linie der Berliner S-Bahn (heute S-Bahnlinie S1) neben ihren Namen den dringenden Wunsch als eigene Gemeinde anerkannt und mit einem Gotteshaus ausgestattet zu werden.
Wiederentdeckung: Ein Entwurf Carl Kühns
Bereits Pfarrer Dr. Josef Deitmer (1865-1929) in dessen Steglitzer Sprengel das Gebiet einst lag, trat 1915 mit der Stadt Schöneberg in Verhandlungen, sogar ein Vorvertrag zu einem Kirchengrundstück wurde 1920 geschlossen. Dies schien man noch bis mindestens 1926/27 im Blick für einen Sakralbau gehabt zu haben. In die Zeit der Zuständigkeit Deitmers scheint auch ein Entwurf für den reservierten Bauplatz zu stammen.
Die Abbildung einer Ansicht für eine große Kirche ist in der Festschrift zum 50jährigen Kirchweihjubiläum von St. Konrad abgebildet auch wenn das Bild nicht näher bezeichnet ist, kann Carl Kühn aufgrund der Schrift und Zeichnung als Urheber benannt werden. Er hatte bis 1928 an Projekten für die Filationen von Steglitz, wo Josef Deitmer Pfarrer war mitgewirkt. Am Bau der Rosenkranzkirche um 1900 war er im Büro Christoph Hehls ebenso beteiligt wie als selbstständiger Architekt beim Bau von St. Marien am Bergheimer Platz, 1913/14.
Planungen für Seelsorgestellen
Der Bunningplan listet es auf, schätzt jedoch die Dringlichkeit als gering ein, da das Areal noch nicht baufertig sei. Der von mir als nach dem Baumeister und Kirchenbauer Hermann Bunning (1868-1930) als „Bunningplan“ bezeichneten „Grundsätze für Neuschaffung von Seelsorgestellen in Grossberlin bezüglich ihrer Lage und Dringlichkeit“ hatte folgendes Leitmotiv:
„Wenn in Berlin e i n e r trotz langen Kirchweges regelmässig zum Gottesdienst kommt, so werden z e h n a n d e r e diesen als Grund zum Fortbleiben benützen. Auch den Seelsorger werden die weiten Entfernungen hindern, mit den dort wohnenden Fühlung zu behalten. Nur durch Erbauung
v i e l e r und der B e v ö l k e r u n g s z a h l e n ts p r e c h e n d großer K i r c h e n kann hier Abhilfe geschaffen werden [Textsperrungen aus dem Original übernommen, d. Verf.].“
In den Verzeichnissen dieser Handreichung wurden die vorhandenen und geplanten Seelsorgestellen verzeichnet und auf der erstellten Karte um die Orte ein Radius von 750 Meter geschlagen. Dies entsprach einer ungefähren Fußstrecke von 10 Minuten. Gut 50-60 Gemeinden entstanden weit bis in die 1960er Jahre aufgrund dieser durch den fürstbischöflichen Delegaten Josef Deitmer initiierten Plan. Ab 1936 hatte die Gemeinde einen Gottesdienstort in der Gaststätte „Menzelklause“ – dem ersten Vorläufer von St. Konrad, Schöneberg. Bereits kurz darauf wurde für die gut 1500 Katholiken in diesem Neubaugebiet eine Kuratie eingerichtet.
Der erste Seelsorger, Dr. Kurt Willig
Der zuständige Geistliche war Dr. Kurt Willig. Er war Jahrgang 1899 und kam von der Steglitzer Pfarrei und somit Pfarrer Deitmer nach Schönberg-Süd. Es war durchaus üblich, dass Kapläne der Mutterpfarrei in die Tochtergründungen wechselten, ähnlich war es in Friedenau (St. Marien, Bergheimer Platz) oder in St. Bernhard verlaufen. Willig wurde bereits am Neujahrstag 1934 von der Gestapo verwarnt ebenso 1940 und 41 wegen politischer Unzuverlässigkeit. Als er die Predigten des Münsteraner Bischofs vervielfältigte und verbreitete wurde er im Februar 1942 verhaftet und kam im Mai in das KZ Dachau. Im Juli 1945 kam er unerwartet während eines Gottesdienstes zurück in seine Gemeinde – die Freude war groß. Nach der Zerstörung weiter Teile des Kuratiegebietes konnte seit 1943 im Gemeindehaus der evangelischen Nathanaelgemeinde Messe gefeiert werden.
Von 1947 an wurde in einer Baracke eine Notkirche eingerichtet. Nach dem Tod von Pfr. Willig, 1956, übernahm Pfr. Bruno Schliep, aus Westpreußen ausgewiesen, die Kuratie. Die bereits 1936 nach dem berühmten Kapuzinermönch und Pförtner Konrad von Parzham (geb. als 11. Von 12 Kinder, Johann Birndorfer 1818-94) benannt wurde. Er wurde 1934 heiliggesprochen (1930 selig). Er war ein wirklicher Heiliger aus dem Volke, als Bauernsohn sorgte er aufopfern für die Wallfahrer in Altötting. In den 1930er Jahren kam er erneut in den Fokus der Kirche durch seine Erhebung zur Ehre der Altäre. Sicherlich war der Fokussierung auf diesen einfachen frommen Mann, dessen Motto „Das Kreuz mein Buch“ lautete in Deutschland ein Beleg für das Selbstverständnis der Kirche im Nationalsozialismus.
Die heutige Kirche und ihr Architekt Hans Schaefers (1907-91)
In den 1950er Jahren konnte die Planung für eine richtige Kirche umgesetzt werden. Der Architekt war Hans Schaefers, der 1907 geboren wurde. Nach Abitur und Arbeit bei einem Tischler studierte er Architektur an der Kunstgewerbeschule Charlottenburg und später ein Jahr bei Alfred Grenander. Die schwere Zeit der Wirtschaftskrisen überstand Schaefers durch die Gestaltung von Möbeln und kleineren Planungen für Um- und Ausbauten. 1937 gründete er ein eigenes Büro in Friedenau. Zu seinen frühen Projekten zählen Wohnhäuser und eine kleine Fabrik. In den Jahren des 2. Weltkriegs war er bei einer Planungsgesellschaft für Bauten der Kriegswirtschaft verpflichtet.
Ab 1946 war er erneut in Berlin tätig. Dort bewarb er sich bei den Kommandanturen der Besatzungsmächte um Aufträge und erhielt so den Auftrag zur Durchführungsplanung für das Theater Karlshorst und weitere Objekte für die UdSSR in West-Berlin. Es folgten 112 Kleinwohnungen an der Badener Str. So wie der Wettbewerbssieg für ein Bürohaus der Volkshilfe in der Lietzenburger Str. Der Vorsitzende der Jury war Egon Eiermann. Dieses Projekt galt als „einen Pionierleistung in den Jahren des Wiederaufbaus“ Berlins. Gut 50 Projekte realisierte Hans Schaefers nach 1951, teilweise mit Partner, darunter zählen Bauten des Zoos, Wohnsiedlungen und Kasernenbauten.
Seine erste Kirche St. Konrad wurde zu einem klaren Bauwerk des Neuanfangs nach dem Krieg. Die später von ihm errichtete St.-Michaels-Kirche in Berlin-Kreuzberg setzte 1965 das fort, was sich bei St. Konrad bereits andeutete.
Baubeschreibung
Ein freistehender in die Tiefe des Grundstückes einschneidender Kirchensaal mit einem abgelösten Turm in der Art eines Kampanile. Durch den höher gezogenen Portalbereich entsteht eine einladende gestaltende Zugangssituation. Der sanfte konisch-trapezförmige Grundriss der Kirche fokussiert den Innenraum zum Presbyterium hin.
Durch die leichte Bodenneigung in Richtung Altar bei gleichzeitigem vorsichtigem Anstieg der Deckenhöhe entsteht in St. Konrad Schöneberg eine wohltuende Konzentration. Die Stahlbeton-Skelettkonstruktion besteht aus sechs „Bügeln“. Diese Träger strukturieren die Wandflächen. In den so entstehenden fünf Jochen, mit den Glasflächen in den Sichtbetongitterwänden, erscheint sich eine leichte Bewegung wieder zum eingezogenen Chorraum hin zu ergeben. Dieser erhält durch 12 Oberlichter eine diffusen Beleuchtung.
Der Turm dient ebenso als Treppenhaus für Wohn- und Gemeinderäume. Die Pergolagänge links und rechts des Eingangs, als verbindende Elemente gedacht, wurden aufgrund von Baufälligkeit abgerissen.
Die Baukosten der Kirche erscheinen für heutige Verhältnisse gering. Für Kirche mit gut 240 Sitzplätzen und Straßenturm waren rund 722.000 DM fällig.
Inventar von St. Konrad, Schöneberg
Ursprünglich wies die Kirche wenige Kunstwerke auf. Das Zentrum bildete der grüngraue Marmor-Hochaltar. Der kastenförmige darauf stehende Tabernakel und das Tabernakelkreuz wie auch das korpuslose Kreuz über dem Altar stammen aus der Erbauungszeit. Die Leuchter und der Tabernakel stammen von der Firma Schlüter.
Der Ambo weist ein Dreifaltigkeitssymbol auf und ist ebenfalls aus Marmor. Die Marienfigur stammt von 1936 und ist nun tonfarben, in gleicher Höhe (132 cm) kam auf der anderen Seite des „Triumphbogens“ im selben Farbton 1958 eine Bruder-Konrad-Skulptur, ebenfalls aus Holz hinzu. Auch das Taufbecken aus Marmor ist aus dem Weihejahr. Der Holzintarsienkreuzweg wurde 1970 durch Rudolf Heltzel (1907-2005) gefertigt.
Das Bronzegeläut wurde 1957 von Petit & Gebr. Edelbrock gegossen. Da aus statischen Gründen zwei der Drei Glocken nicht mehr geläutet werden konnten, gab man diese 2013 an die St.-Georgs-Kirche im italienischen Piran ab. Die Orgel stammt aus dem Jahr 1967 und wurde von der Firma Romanus Seifert und Sohn aus Kevelaer hergestellt. Sie ist vollständig elektrisch betrieben und weist 25 Register bei 1650 Pfeifen auf.
Im Winter wird der Gottesdienst im Pfarrsaal gehalten.
Würdigung
St. Konrad ist ein schönes Kind der 1950er Jahre. Schaefers wendet sich mit seinem Entwurf bewusst von allen historischen Bezügen ab. Ganz ohne Brutalismen entsteht ein „wohltuender“ Gottesraum von einem der fast vergessenen Berliner Wiedererbauer nach dem 2. Weltkrieg. In diesem Raum kann ich zur Ruhe kommen und Besinnung finden. Leider ist die Kirche derzeit nicht zum persönlichen Gebet geöffnet. Doch ein Ziel mehr für die Zeit nach der Quarantäne.
Weiteres auf kirchenbauforschung.info
Die ganze #täglicheKirche -Reihe im Überblick https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/
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