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St. Marien unbefleckte Empfängnis, Berlin- Karlshorst

Maria Unbefleckte Empfängnis in Berlin-Karlshorst ist ein markantes Ensemble aus Kirche (1936/37), historistischen Pfarrhaus von 1909 und einem Vorplatz. Sie ist in den Stilformen altrömischer Basiliken gehalten und bietet dennoch Bezüge zur Neuen Sachlichkeit. Zugleich ist es der späteste katholische Kirchenbau vor dem Zweiten Weltkrieg und inmitten der NS-Zeit. Es ist eine Kirche, die aufgrund der (zeitweisen) Beschlagnahme des Ortsteils Karlshorst durch die Rote Armee, ein spezieller Zeuge der Kriegsfolgen ist.

St. Marien, Außenarkaden, bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Baugeschichte

Dass dieser Sakralbau relativ spät (bis 1937) und groß realisiert werden konnte, liegt sicher auch in den seit 1900 laufenden Bemühungen um einen Kirchenbau für Karlshorst begründet. Bereits 1909 war ein Pfarrhaus mit Kapelle von August Kaufhold fertig gestellt worden.

Erste Kapelle im Pfarrhaus von August Kaufhold, 1909, Ansichtskarte, Q: Slg. Manthey

Doch eine große Kirche stets im Blick. Der Bauherr Geistlicher Rat Johannes Surma, war zugleich ein starker Förderer des katholischen Kirchenbaus im Berliner Bereich. Da er als Vorsitzender der Gliederung des Bonifatiusvereins für Berlin unermüdlich für Neubauprojekte Geld erbat. Somit war der Pfarrer in Baudingen erfahren und konnte trotz staatlich zunehmender Repression den Bau realisieren, dessen Einweihung der im Oktober 1936 nicht mehr miterlebte.

St. Marien, Seitenansicht (links die alte Kapelle), bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Der Kirchenbau und Zwischennutzung

Die Kirche St. Marien Unbefleckte Empfängnis in Karlshorst stammt vom Leipziger Architekten Clemens Lohmer. Er stirbt 1936 und erlebte die Einweihung nicht mehr. Vollendet werden die Arbeiten von seinem Mitarbeiter Jacques Baudinot Bei seinen kirchlichen Bauten finden sich klare Anklänge an historische Bauformen außen und oft eine moderne jedoch schlichte Gestaltung des Innenraums. Wie andere Architekten auch, bspw. Christoph Hehl bei Herz Jesu Prenzlauer Berg (1898), verwandte Lohmer den regionalen Rüdersdorfer Muschelkalkstein für die Fassade der Westseite seiner dreischiffigen Kirche und stellt somit einen Bezug zur Umgebung her. Die monumentalen Plastiken der Vier Evangelisten und der Maria an der Fassade stammen von Josef Dorls (Seite über den Bildhauer von Norbert Seyer).

St. Marien, historische Innenansicht, bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Im Inneren zeugt der Bau mit einer einheitlichen, gradlinigen Romanik von der Sichtweise der modernen Kirchenbauer auf die Stiltradition. Ein massiver Turm galt als deutliches kirchliches Signal. In diesem breiten Riegel waren auch Nutzräume untergebracht. So zum Beispiel der sogenannte Rittersaal. Dort sollte neben Gruppenstunden u.a. auch Unterricht gegeben werden.

St. Marien, Rittersaal im Turm, bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Der basilikal gegliederte Raum weist flache Holzbalkendecken in den Haupt- und Nebenschiffen auf. 5 Rundbogenarkaden scheiden die Schiffe.

St. Marien, Seitenschiff, bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Das natürliche Licht kommt durch romanisch kleine Fenster in den Seitenwänden und im Obergaden. Der Chorraum ist eingezogen und hat eine gerade Rückwand mit farbigen Glasfenstern sowie seitlichen Durchgänge über Wand hohe Pfeilerarkaden. Der Bau mit der Erstausstattung kostete ca. 260.000 RM.

St. Marien, Chorfenster von Egbert Lammers (1936), bauzeitl. Aufn, Q: PfAR St. Marien

Zwischen 1945 und 49 war die Kirche ein Materiallager der Sowjet-Armee, deren Geheimdienst residierte im Pfarrhaus. Dann wurde die zwischenzeitlich entwidmete Kirche an die Gemeinde restituiert und wurde wieder hergerichtet.

St. Marien, Innenzustand nach Übernahme von der Roten Armee, 1949, Q: PfAR St. Marien

Ausstattung

Mittelpunkt der historischen Ausstattung war ein Hochaltar aus schwarz-grauem Kalkstein. Er hatte ein Silbermosaik sowie den Tabernakelschrein mit Türen aus Edelstahl. Er wurde 1950 restauriert. Die ersten Chorfenster stammten von Dr. Egbert Lammers (1936). Ebenso stammt aus seiner Hand der Kreuzweg (Öl auf Holz), der 1937 und 38 entstand.

Hochaltar mit 12 quadratischen Steineinlagen am Kreuzstamm, Prof. Jan Vinetzky, 1936,
Q: PfAR St. Marien

Die aktuellen Chorfenster sind von Helga Lingnau-Sacks und entstanden als Ersatz für die kriegszerstörten 1993. Sie zeigen von links nach rechts die Geburt Christi, eine Pieta sowie die Himmelfahrt Mariens und sind dem Seligen Bernhard Lichtenberg gewidmet. Er war der 1. Pfarrer in Friedrichsfelde der Mutterpfarrei und somit auch für Karlshorst zuständig.

St. Marien, Aktuelle Innenansicht, Foto: K. Manthey, 2013

Der heutige Zelebrationsaltar und der Ambo sowie einige Konsolen stammen von Paul Brandenburg (geb. 1935). Dies geschah im Rahmen einer Neugestaltung 1985 in deren Zuge auch die Noli-me-tangere-Gruppe mit lebensgroßen Figuren in der Kirche im hinteren Bereich eines Seitenschiffs aufgestellt wurde. Diese Carrara Marmor-Skulptur stammt von Giovanni Marchiori aus dem Jahr 1750. Sie Statue befand sich bis zur Zerstörung der Kathedrale in der Hedwigskathedrale und war dort bis 1932 das Bildwerk des Hochaltars.

Der Marien-Gobelin von Egbert Lammers, Foto: K. Manthey, 2013.

Mein Liebling ist der Gobelin Muttergottes mit Engeln nach einem Entwurf von Dr. Egbert Lammers, 1939. Der rundbogige Gobelin wurde in der Benediktinerinnenabtei
St. Walburg/ Eichstätt (siehe Wappen rechts unten) gewebt. Auf Anregung von Bischof Konrad Graf von Preysing gab Pfarrer Wittenbrink den Bildteppich in Auftrag für den Marienaltar.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Kunstwerke zu entdecken. Nur eines sei noch kurz erwähnt. Die Figur der Anna Selbdritt eine spätgotische Schnitzarbeit.

Würdigung

Zwar ist die Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden. Meiner Meinung nach gibt es hier jedoch keinen direkten Bezug zu NS-Bauvorgaben. Ebenso ist keine staatliche Förderung bekannt. Zur Altarweihe kam jedoch auch NSDAP-Prominenz. Sicherlich ist die traditionelle Architektursprache der Romanik in Hinblick auf die staatliche Kulturpolitik unverdächtig gewesen. Generell erscheinen die Verflechtungen der Berliner Katholiken mit der Diktatur gering ausgeprägt gewesen zu sein. Anders hingegen war die Verbindung zwischen Evangelischer Kirche, vor allem den „Deutschen Christen“ und dem Staat. Wie es die Studie von Beate Rossié, Kirchenbau in Berlin 1933-1945, Berlin 2021 herausarbeitet. Dort ist auch St. Marien Unbefleckte Empfängnis, als katholisches Baubeispiel jener Jahre aufgeführt.

Weiteres auf kirchenbauforschung.info

Die Reihe mit Kirchenporträts: https://kirchenbauforschung.info/taegliche-kirche/

Ein erster Entwurf von Lohmer
Bilder des nahe gelegenen St.-Antonius-Krankenhaus, heute KHSB

Externe Links

Veranstaltung des Berliner Kirchenbauforums in der Katholischen Akademie, Montag 20.3.2023

Link zum Buch von Dr. Rossié: https://www.lukasverlag.com/programm/titel/571-kirchenbau-in-berlin-1933-1945.html

Über die Sowjet-Nutzung: https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/highlight-denkmale-der-alliierten/udssr/lichtenberg/kath-kirche-st-marien-648065.php

Seite der Pfarrei: https://www.st-hildegard-von-bingen.de/

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