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Herz-Jesu-Kapelle und St.-Joseph-Exerzitienhaus (3.XII.23 – Kalenderblatt)

Herz-Jesu war eine Kapelle im grünen Biesdorf. Dicht bei der Wuhle entstand in jenen Jahren ein beliebter und weithin bekannter Rückzugsort das Einkehrhaus der Jesuiten St. Joseph. Ein besonderes Beispiel für die Situation der katholischen Kirche in Preußen im allgemeinen und speziell im Sakralbau ist das Exerzitienhaus in Biesdorf. Zwar gibt es diese Kapelle nicht mehr. Somit ist dieser Beitrag eine Erinnerung an einen für die Geschichte der Berliner Katholiken prägenden Ort. Dennoch bis heute werden Teile des Geländes kirchlich genutzt, durch das Priesterseminar Redemptoris Mater des neokatechumenalen Weges.

Aussenanischt, Mitte der 1990er, Foto: M. Brühe, Q: Bildarchiv EBO

Vorgeschichte des St.-Joseph-Exerzitienhauses

Clemens Graf von Galen, der spätere Bischof von Münster, war übrigens von 1906 bis zur Bischofswahl 1933 in Berlin tätig. Er hielt stets Kontakt zu seinen Freunden aus seiner Innsbrucker Zeit im Jesuitenkonvikt. Ebenso unterstützte von Galen die ersten Jesuiten in Berlin. Diese Ordensmänner arbeiteten in der Gesellenvereinsarbeit und später als Geistliche an St. Clemens, einer Berliner Kirche die auf von Galens zurückgeht. Außerdem litt Die Gesellschaft Jesu unter den erst 1917 endgültig aufgehobenen Jesuitengesetzen. Ihnen war somit jede Art von Niederlassung verboten. Der Orden veranlasste von Galen, sich für ein Exerzitienhaus stark zu machen. Diese Bemühungen verfestigten sich schließlich mit der Gründung der „Gesellschaft Erholung“, die als Rechtsträger auftrat. Dieser Institution standen honorige Personen, wie Clemens von Galen, sein Bruder Friedrich, Matthias Erzberger und der Berliner Gefängnispfarrer Dr. Alfred Saltzgeber vor.

Aus kirchlichen Mitteln wurde 1912 das erste Grundstück in der aufblühenden Villenkolonie Biesdorf-Süd erworben. Bis 1920 wurde das Areal durch zwei Zukäufe erweitert. Probleme gab es zuerst mit dem Landrat von Niederbarnim, da Borromäerinnen die Führung des Hauses übernehmen sollten. Dies stellte seiner Ansicht nach ebenfalls eine gesetzeswidrige Ordensniederlassung dar. Erst der Druck Erzbergers, dieses Problem vor den Reichstag zu bringen, sorgte für eine Einwilligung durch den Landkreis.

Straßenansicht des gesamten Gebäudes, Nachzeichnung, 1991 Q: ZR EBO

Der Bau der Herz-Jesu-Kapelle und des Hauses

Nun konnte der Bau Ende 1913 nach den Plänen des Hehl-Schülers Carl Kühn begonnen werden. Die Ausführung lag bei der Firma Wilhelm Bauer. Zwar wird dieser verschiedentlich als Architekt erwähnt, dennoch war er Bauunternehmer. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam auch dieses Projekt ins Stocken. 1915 wurde der Grundstein gelegt und 1916 konnte die Kapelle geweiht werden. Bis 1920 zog sich die Fertigstellung hin, ab 1918 stand das Projekt auch wieder unter der offiziellen Leitung der Jesuiten. Nun standen 60 Betten in 40 Zimmern zur Verfügung. Exerzitienteilnehmer genossen den Komfort einer Zentralheizung und fließenden Wassers auf jedem Zimmer.

Nachgezeichneter Grundriss, Ausschnitt der Kapelle, Q: ZR EBO

Die Herz-Jesu-Kapelle

Die Kapelle entstand im Südflügel der Anlage. Der mit einem Reliefkreuz gestaltete Westgiebel ragt aus dem größeren Westgiebel des Gebäudeflügels hervor. Beide waren geschweifte Dreiecksgiebel, deren Gestaltung sich an barocken Formen anlehnte. Das Innere der Kapelle war ein basilikaler Raum, flach gedeckt in den drei Schiffen. Fünf Rundbogenarkaden trennten die gut 2 m breiten Seitenschiffe vom Hauptschiff. Beleuchtung erhielt der Raum durch fünf Obergadenfenster und kleinere mit Rundbogenabschluss in der Seitenschiffwand zur südlichen Gartenseite hin. Ein tonnengewölbter breiter Triumphbogen leitete zu einem Altarraum in Hauptschiffbreite über. Die halbrunde Apsis hatte zudem ursprünglich zwei Rundbogenfenster. Die halbrunden Nebenapsiden boten im Nordschiff Platz für den Taufstein und im Süden für einen gotisiert geschnitzten Marienaltar unbekannter Herkunft. Im Westen befanden sich in den Seitenschiffen tonnengewölbte Beichtkapellen. Im Hochschiff war die hölzerne Orgelempore untergebracht. Hier waren Verzierungen eingekerbt.

Historischer Innenraum, Q: Bildsammlung Manthey
Der zusammengesetzte Marienaltar mit neugotischer Farbfassung, Q: Bildarchiv EBO

Nach einer einem Bombenschaden 1944 ging ein großer Teil der Ausstattung, teilweise neubarock verlorene. So z.B. der Hochaltar, er hatte eine Herzjesufigur im Mittelschrein. Der neugotisch überarbeitete und aus verschiedenen Figuren konstruierte Nebenaltar blieb indes erhalten. 1961 kam es zu einer einfarbigen hellen Übermalung und zur Entfernung von Gesimsen. Wolfgang Sommer berichtet:
„Die Kapelle war ursprünglich an Deckenbalken, Arkadenbögen und Altarraumbögen mit floralen und geometrischen Ornamenten, sowie an den Arkadenpfeilern mit Haustein-Imitation bemalt.“ (W. Sommer)
Sommer bemerkt, dass in einem Ständer Kühns Baumeisterzeichen, mit der Jahreszahl 1919, eingearbeitet ist. Nach der Skizze Sommers handelt es sich hier bereits um das in St. Elisabeth Königs Wusterhausen (1937) an der Orgelempore wiederkehrende Zeichen.

Der Innenraum in der letzten Gestaltung, Aufn. um 1995, Q: Bildarchiv EBO

Erhaltene Ausstattung

Detailansicht des Kreuzes, Q: Bildarchiv EBO

Bis zur Profanierung und Schließung der Herz-Jesu-Kapelle gab es dort natürlich verschiedene Ausstattung. Neben den neu und vor allem mit Text gestalteten Fenstern, erhielt der Altarraum nun eine Kreuz mit spätgotischem Korpus. Außerdem sind noch eine Josephsfigur mit Jesuskind und Kirchenmodell erwähnenswert, darüber hinaus der Eichenholzkreuzweg und bspw. das Bild des Guten Hirten mit Herz-Jesu-Symbolik.

Weitere Geschichte des Hauses

Zwischen 1920 und 1939 war das Exerzitienhaus in Biesdorf im Sinne der Gründungsväter, die das Projekt angestoßen hatten, ein überaus erfolgreiches Unterfangen. Anfang 1939 wurde überdies ein Pater mit der Gemeindeseelsorge betraut. So entstand dort ab 1. Januar 1939 eine Kuratie für 700 Seelen in Biesdorf Süd. Das Gebäude wurde 1988 bis 1990 renoviert. Zeitgleich wurde ein neues Exerzitienhaus nebenan gebaut, dies ist nun das Priesterseminar Redemptoris Mater, der Gemeinschaft des neokatechumenalen Weges. Das alte Exerzitienhaus wurde dann eine Weile als Altenheim genutzt. Seit Juli 2013 ist das Haus verkauft und die Kapelle entwidmet. Mittlerweile wurden dort durch den neuen Eigentümer in Eigentumswohnungen eingebaut.

Quellenverweise

GEORG PRANGE / JOHANNES REIFF, 50 Jahre Herz-Jesu-Gemeinde Berlin-Biesdorf Süd, Berlin 1989.

WOLFGANG SOMMER, Das Schaffen des Architekten Karl Kühn, Diplomarbeit, Halle 1993.

WOLFGANG SOMMER, Manuskripte zur Diplomarbeit (s.o.), Berlin 1992–1993.

Zentralregistratur Erzbischöfliches Ordinariat Berlin (ZR-EBO)

Diözesanarchiv Berlin (DAB)

Weiterführende Links

Die Webpräsenz der Priesterseminars_
https://www.rmberlin.de/

Eintrag auf den Seiten von Maren Krause: https://kirchennutzung.wordpress.com/2018/01/11/berlin-biesdorf-herz-jesu-im-exerzitienhaus/

Hinweis zur Schließung auf den Gemeindeseiten:
https://www.kirche-biesdorf.de/sued/sued1.html

Datenblatt bei Kirchbau.de:
https://www.kirchbau.de/300_datenblatt.php?id=8341&name=keiner

Hier noch eine im Krieg zerstörte neubarocke Kirche

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