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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 8. Dezember 2024
- Category: Aktuelles, Kalender, Kirchenporträts
Mater dolorosa, Berlin-Buch (VIII.XII.)
Die Mater-dolorosa-Kirche in Berlin-Buch ist eine Saalkirche in der sogenannten Kolonie Buch, sie wurde 1936 geweiht. Dort siedelten im Zusammenhang mit den Heilanstalten und Krankenhäusern am Ort immer mehr Leute, vorrangig in Einfamilienhäusern. Buch war zunächst eine Domäne mit eigenem Schloss und später im Besitz der Stadt Berlin bis es vor 104 Jahren im Rahmen der Bildung von Groß-Berlin (1920) eingemeindet wurde. Weiterhin gab es bis in die 1980er Jahre im Umland die Rieselfelder zur Entwässerung Berlins und bis heute existieren viele Wälder des Berliner Forst. Heute ist Buch ebenso ein prosperierender Ortsteil im Bezirk Pankow wie viele in der Nachbarschaft. Die Gemeinde gehört nun zur 2021 gegründeten Großpfarrei, Heiliger Christophorus Barnim, somit sind die Wege längen, denn momentan sitzt der Pfarrer in Eberswalde, der Großmutterpfarrei sozusagen.
Die Geschichte der Gemeinde Mater dolorosa
Im Mittelalter zählten die Christen der Gegend vermutlich Die Katholische Gemeinde wurde übrigens von Bernau her ausgepfarrt. Da sie Wege zu weit waren und der Bedarf aufgrund der Kliniken hoch war. Zwar kam 14tägig ab 1907 ein Geistlicher aus Bernau, jedoch deckte es weder den Bedarf in den Kliniken noch am wachsenden Ort. Übrigens gab es bereits vor dem Ersten Weltkrieg Pläne für eine Kirche in der Bucher Gegend, der Bernauer Pfarrer Carl Ulitzka, soll für Buch eine Kirche in romanischem Stil angedacht haben. Nachdem die Mutterkirche Herz Jesu in Bernau neugotisch und die Kirche in Biesenthal neubarock gestaltet wurde.
Die Gemeinde vor Ort, in Buch und Umgebung, wuchs und erkämpfte sich einen eigenen Priester. Im März 1933 hatten Gemeindemitglieder den Bischof Dr. Schreiber bei der Durchfahrt aufgehalten und Ihre Belange vortragen können. Der Ordinarius beherzigte die Nöte. Somit wurde 1933 eine Lokalie gegründet, als erster Geistlicher wurde von Christian Schreiber, dem 1. Bischof Berlin, Bernhard Stein geschickt. Dieser stammte aus dem Gebiet des Bistums Kulm, wurde in Pelplin, dem Kulmer Bischofssitz 1917 geweiht und kam später nach Berlin.
Baugeschichte und Architekt von Mater dolorosa
Bevor die Kirche gebaut werden konnte hielt man an Sonn- und Feiertagen zwei mal Gottesdienste „in den Betsälen der hiesigen Heilsanstalten“ wie Bernhard Stein in einem Bericht für den Bonifatiusverein 1935 festhielt. Damals war jedoch die Kirche schon kurz vor der Vollendung. Immerhin gab es in den vom Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann geplanten Krankenhäusern und Sanatorien Räume für den Gottesdienst oder sogar Kapellen.
Der Grundstein zur Kirche wurde 1934 gelegt. Allerdings kam es erst 2 Jahre später zur Weihe. Dies lag sicherlich an dem Bischofswechsel 1935. Denn die Benediktion fand 1935 statt. Der Architekt war Josef Weber (intern). Er war zu dieser Zeit als Bauberater des Gesamtverband der Katholischen Kirchengemeinden Groß-Berlins. Jener Verbund sammelte Gelder und verteilte diese in gemeinsam Projekte. Somit konnten viele neue Gottesdienststandorte entstehen. Dementsprechend schuf der Verband auch Regularien und Planungen für einen schnellen Aufbau der Gemeindestruktur in der schnell boomenden Metropole Berlin. Zwar war das Bauprojekt bereits 1932 angedacht, nur kam das Geld nicht zusammen. Ebenso gab es unterschiedliche Debatten mit dem Haupt-Geldgeber, dem Bonifatiusverein. Erst nach Treffen mit dessen Bauberater, Max Sonnen, Diözesanbaurat Carl Kühn und dem Architekten Weber ging es ab 1934 (Grundsteinlegung) voran.
Der Kirchenbau
Mater dolorosa oder „Schmerzhafte Mutter“ erhielt diesen Namen aufgrund der vielen Kranken und Krankenpflegenden und Ärzte am Ort. Ferner scheint die Architektur noch vom Geist des Bauhauses geprägt zu sein. Der ziegelsichtige Rechteckbau mit Satteldach weist mit der vor geblendeten Fassade einen besonderen Stufengiebel auf, dessen Abschluss ein Kreuz bildet. Übrigens war ein Turm zwar geplant, konnte aber aus Kostengründen nicht realisiert werden. Sicherlich weil der Bau von Türmen teuer war. 45.000 RM mussten eingehalten werden, davon 26.000 RM durch den Bonifatiusverein für die Diaspora, der Rest durch Bistum, Gesamtverband und Gemeinde. Der Giebel auf der Rückseite ist hingegen als niedriger Spitzgiebel gestaltet worden. Dort ist heute ein Missionskreuz eingepasst, wo zunächst nur ein im Mauerwerk eingearbeitetes, versenktes Relief als Kreuz war.
Das Mauerwerk weist eine plastische horizontale Gliederung der Wandfläche durch vorkragende Ziegelbänder auf. Eine kleine Sakristei wurde an den Altarbereich angebaut und für eine Heizung unterkellert. Die Außentüren sind nach einer Renovierung wieder im ursprünglichen Blauton gestrichen und zeugen von einem klugen Kontrast.
Architektonisch sensibel befindet sich an die Kirche angebunden das Gemeindezentrum von 1992 nach Plänen des Büros Architekturbüro: Meyer/Bach/Hebestreit/Sommerer (intern). Im Inneren findet der Besucher einen einschiffigen Saalraum mit flacher Holzbalkendecke. Dabei übernimmt diese Holzkonstruktion durch Abstufung im Mittelteil eine Art von Raumaufteilung vor, d.h. die Mitte des Saals ist leicht erhöht. Der Chor ist nicht eingezogen und hat einen geraden Wandabschluss.
Der Innenraum von Mater dolorosa, Berlin-Buch
Dafür trennten links und recht zwei Stützen den Altarraum vom Kirchenschiff. Dort befand sich links eine Kanzel und rechts eine Pietadarstellung von Theodor Nüttgens (intern). Zwei Bankreihen mit Mittelgang und Seitengängen gliedern darüber hinaus die Längsausrichtung eindeutig. Die regelmäßige Wandgliederung durch die farbverglasten Rundbogenfenster von „L. Ritzinger Glasmalerei Stettin“ erzeugt eine sehr klare Raumwirkung. Die Fenster mit ihren filigranen grafischen Motiven erinnern an Stilformen des Art Deco. Dabei wurden anscheinend die Fenster zur Straßenseite, der nach Nordosten ausgerichteten Kirchen, im letzten Krieg zerstört und in den 1950ziger Jahren erneuert.
Ausstattung
Bauzeitlich war die Kirche mit einer Hochaltaranlage ausgestattet. Das Kernstück war der Altar mit seinem Retabel, dabei gingen von dem breiten vermutlich vergoldeten Tabernakelschrein nach oben eine Lisenen artige Marmorblende mit drei gestaffelten Kronen ab. Ferner flankierten zwei Reliefbänder mit den sieben Schmerzen Mariens den Schrein mit dem Allerheiligsten. Diese Arbeiten jedoch sind bis heute Teil der Altarraumwand.
Die teilvergoldeten Betonreliefs sind von Felix Weber. Dabei sind zu sehen die Weissagung des Simeon: Deine Seele wird ein Schwert durchdringen, die Flucht nach Ägypten, die Suche nach dem 12jährigen Jesus im Tempel, der Abschied Jesu von seiner Mutter, der Kreuzweg und die Kreuzigung sowie die Kreuzabnahme (Pieta). Ob es sich beim Künstler um einen Verwandten des Architekten handelt ist mir noch nicht bekannt. Jedoch ist dies gut möglich da Josef Weber neben der Architektur auch Kunstgewerbe im Angebot hatte.
Ab 1969 kam es zu baulichen Veränderungen, vor allem wurde ein Holzaltar zum neuen Mittelpunkt der Messfeiern. Schließlich wurde die Kirche im Inneren grundlegend umgebaut und neugestaltet. Hans Wachter (1931-2005) aus dem Allgäu schuf die Neuausstattung, z.B. Christus am Kreuz aus Betonguß mit geringer farbiger Fassung. Ebenso entstand der neue Altartisch aus Muschelkalk, der Tabernakel aus Bronze mit einem Relief der Emmausgeschichte dessen Stele ist die ehemalige Mensa. Darüber hinaus sind auch der bronzene Ambo und die Pieta, ebenfalls Betonguß, von Wachter. Mein Lieblings Kunstwerk ist der farbige Kreuzweg aus Holz, der von Georg Nawroth aus dem Jahr 1979 stammt. Die heutige Orgel wurde von der Firma Schuke 1991 eingebaut.
Schlussbemerkung
Zwar ist mater Dolorosa meine Heimatkirche, doch ehrlich gesagt habe ich den Qualität des Raumes erst viel später richtig wahrgenommen. Bis heute existiert vor Ort eine lebendige Gemeinde. Mittlerweile bildet sie mit dem Gebiet der Mutterpfarrei Herz Jesu in Bernau und weiteren einen pastoralen Raum. Trotz der Neugestaltung Ende der 1980er Jahre hat der Raum weiterhin große Qualität, die ebenso von der aktuellen Ausstattung getragen wird. Bedauerlich ist für mich jedoch, dass es auch hier zum Verlust der modernen Altargestaltung der 1930er Jahre kam. Dabei zeugten diese Werke von einen sehr aufgeschlossenen Umgang mit den modernen Strömungen der Künste. Dabei war dies ja in kirchlichen Kreisen lange verpönt.
Links
Eintrag bei Landesdenkmalamt Berlin https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/liste-karte-datenbank/denkmaldatenbank/daobj.php?obj_dok_nr=09050174
Seite der Kirchengemeinde
http://www.katholische-kirche-berlin-buch.de/
(Überarbteiung von: Mater dolorosa, Berlin-Buch (Kalender 20, tägliche Kirche))
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