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- Author: Konstantin Manthey
- Posted: 28. August 2022
- Category: Kirchenporträts
St. Augustinus, Teil 1: Entwurf von Carl Kühn
St. Augustinus im Berliner Prenzlauer Berg ist heutzutage das hervorragende Beispiel eines expressiven Kirchenbaus aus der Zeit zwischen den Kriegen. Dabei hatte die Kirche, die nahezu autark von Fürstbischöflicher Delegatur, Bonifatiusverein u.a. Geldgebern errichtet wurde, eine Vorgeschichte. Beispielsweise ist das Projekt ein Beispiel für die Beteiligung Carl Kühns an einer Entwurfskonkurrenz. Und zwar bevor dieser institutioneller Architekt der Kirche von Berlin war. Ein Mitwettbewerber im Wettbewerb um den Bau von St. Augustinus war Josef Bachem. Er realisierte später das Bauprojekt in enger Zusammenarbeit mit dem Pfarrer der Gemeinde Dr. Carl Pelz. Darüber hinaus wurde Bachem zu dem modernen Kirchenbaumeister der Region in der Zwischenkriegsmoderne.
Geschichte der Gemeinde und des Kirchenbaus
Die Anfänge von St. Augustinus
Die große St.-Augustinus-Gemeinde war eine der Tochtergründungen der Herz-Jesu-Gemeinde, deren Kirche in der Fehrbelliner Straße 1898/99 durch Christoph Hehl erbaut wurde. Bei der Besiedlung und dem Ausbau des Berliner Nordens kam es von Herz Jesu aus zu den Gründungen St. Afra, ab 1918 zu St. Augustinus umbenannt, und Heilige Familie. Die kleine Kirche der Grauen Schwestern im St.-Afra-Stift in der Weddinger Graunstraße war bis zur Weihe der Augustinuskirche am 16. September 1928 der Gottesdienstort der Gemeinde. Ab 1913 war mit Dr. Karl Pelz „ein Berliner Gemeindegründer mit theologischem Konzept“ (Höhle, 2006/07, S. 79) für die Gemeinde verantwortlich.
Auf dem Weg zur neuen Kirche
In dieser Zeit wurde die Miete für die fürderhin zu kleine Kapelle verdoppelt. Dringend suchte man nach Auswegen. Im Juni 1914 zahlte der Kuratus jedenfalls für das zukünftige Baugrundstück in der Dänenstraße an. In seinem einzigen Bittbrief an den Bonifatiusverein in Paderborn schrieb Pelz: „In der Kuratie St. Augustinus im Norden Berlins mit 9 000 Katholiken ist der Bau einer Pfarrkirche eine bittere Notwendigkeit.“ (ABW, Bistum Berlin, St. Augustinus).
Unermüdlich sammelte Pelz Gelder und verwaltete diese außerdem klug. D.h. in wirtschaftlich schweren Zeiten legte er das Vermögen vor allem in weitere Grundstücke und Dollar an. Dadurch war der Weg für den Kirchenbau frei und ausreichend Geld vorhanden. So konnte der Kirchenvorstand 1925 sogar einen anscheinend beschränkten Wettbewerb mit 1 000 M Preisgeld ausloben. Weitere Umstände des Wettbewerbs sind nicht bekannt. Es scheint als wären nur bestimmte Architekten angefragt worden. Überliefert sind zudem nur Entwürfe von Carl Kühn und Josef Bachem. Heute betrachten wir zunächst die bekannten Plan-Blätter Carl Kühns. Später werden außerdem Beiträge zu Bachems Arbeit und dem realisierten Baut folgen
Der Entwurf von Carl Kühn für St. Augustinus
Entwurf für Außen
Der Vorschlag Carl Kühns bot einen leicht zurückgesetzten Turmriegel, der auf Höhe der Bauflucht von zwei vorgesetzten kleineren und schmaleren Türmen flankiert wurde. Die drei unteren Geschosse bildeten den Portalbereich – eine Doppelportalanlage –, über den Eingängen befand sich ein Blendgiebelfeld, das abgetreppt war, darin wurde als Bauplastik eine Kreuzigungsgruppe angedacht. Der Entwurf weist einen kleineren Giebel in dieser Form über dem rechts der Kirche gelegenen Pfarrhauseingang auf. Die Kirche erhielt in Kühns Entwurfsvorschlag über der Portalzone am Hauptturm drei Stockwerke, die durch Lisenen gegliedert und gleichmäßig gefenstert wurden. Die benachbarten Häuser wiesen dagegen fünf Geschosse auf.
Das Hauptturmfeld führte nach oben hin weiter zu vier Rundbogenschallöffnungen. Die viergliedrige Blendfläche endete mit gezahnten Abschlüssen unter dem Traufgesims. Der hochgestreckte Walmturmhelm erhielt mittig eine Gaube mit Wetterfahne. Die beiden Flankentürme wiesen ebenfalls hohe Walmhelme auf, diese sind mit dem Hauptturm verbunden. Die Firste der Nebentürme schlossen nach dem achten Geschoss ab. Diese Seitentürme verjüngten sich abgestuft zweimal. Es ist nicht ersichtlich, ob Kühn an eine Haustein-, Backstein- oder vielleicht sogar an eine Putzfassade gedacht hatte.
Der geplante Innenraum
Die Kirche hätte man unter der Empore betreten. Linkerhand war übrigens eine kleine Taufkapelle und rechts eine weitere halbrunde Kapelle angedacht. Kühn konzipierte den Raum als Kuppelkirche, ähnlich wie St. Norbert in Berlin-Schöneberg. Sechs Achteckpfeiler trugen die Kuppel. Weitere Stützen befanden sich außerdem im Bereich der Orgelempore. Die mittlere der Emporenpfeiler war zudem feingliedriger und betonte damit die Mittelachse, die Kühn als Mittelgang zum Altarraum weiterführte. Dort plante Carl Kühn zwei vorgezogene Pfeiler. Diese standen in einer Treppenzone, die über die ganze Breite verlief. Somit schied er die beiden Seitenaltäre vom Hauptaltar.
Der Hochaltar war in einer Apside untergebracht, geplant mit einem drittelrunden Grundriss. Außen deutete Kühn hingegen einen dreiseitigen Abschluss eines Oktagons an. Die runden Seitenaltarnischen endeten außen ebenfalls in dieser Form. Um einen der vorderen Pfeiler des Laienraumes schlug der Entwurf die Kanzel vor. In der Wand zum Hof hin waren überdies zwei Nischen für Beichtstühle angedacht. Insgesamt verteilte er auf zwei Sitzbankblöcke gleichmäßig 344 Sitzplätze. Diese endeten vor den Pfeilern, somit war der Blick frei zum Altar und ein Umgang geschaffen.
Der Querschnitt zeigt, dass die Beleuchtung mit Tageslicht hauptsächlich durch die, in die Kuppel eingeschnittenen Oberlichter geschehen sollte. Über den Pfeilern, die auf halber Höhe zum Beginn der Kuppelzone endeten, standen zudem kleine Dienste, die die Altarwandbögen u.a. trugen. Diese hohe Nische schien jedoch nur der Vorbereich zu sein. Kleine Oberlichter beleuchteten die Konchen. Darüber hinaus boten die niedrigen Seitenschiffe auf beiden Seiten Platz für Lichthöfe zur Belichtung der Kuppel mit Tageslicht. Kühn deutete neben der Kreuzigungsgruppe für den Blendbogen über dem Portal außen ebenfalls den Hochaltar an, der Aufbau hatte einen runden Abschluss und eine Mittelnische.
Einschätzung
Der Entwurf erinnert in seiner Außengestaltung an den ersten Entwurf für St. Norbert von 1910, hier findet sich eine vergleichbare Staffelung im Aufbau der Turmfront. Eine Kreuzigungsgruppe über den Eingängen schlug Kühn in seinem eingereichten Entwurf für Norbert 1914 ebenfalls vor, eine Mandorla dafür wurde auch ausgeführt, jedoch nie ausgestattet. Die Kuppellösung findet sich bis hierhin bei all seinen großen Kirchenentwürfe. Hier war er eindeutig von den Ansätzen Hehls inspiriert, die er ausgehend vom Zentralbau weiterentwickelte. Für den Entwurf St. Augustinus kehrte er zu einer halbrunden Kuppel zurück. Diese und auch die Pfeilerdisposition erinnern an die Kirchen St. Marien in Spandau und St. Marien, Bergheimer Platz, die wiederum aus der Hehl’schen Lösung für die Rosenkranzkirche in Steglitz herrührten.
Links zu St. Augustinus
Die Homepage der Pfarrei: https://www.heiligefamilie-berlin.de/index.php
Informationen beim Landesdenkmalamt Berlin: https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/denkmale/aus-der-praxis-erkennen-und-erhalten/sakralbauten/st-augustinus-zu-berlin-639528.php
Verwendete Quellen
Archiv des Bonifatiuswerks Paderborn (ABW), Akte Bistum Berlin, St. Augustinus, Prenzlauer Berg; Michael Höhle, Ein Berliner Gemeindegründer mit theologischem Konzept – Karl Pelz, in: Wichmann-Jahrbuch des Diözesangeschichtsver-eins Berlin, N.F. 9, 46./47. Jg., 2006/2007, S. 79–90; Kath. Pfarramt St. Augustinus (Hrsg.), Festschrift. Eine Chronik der Pfarrgemeinde St. Augustinus zu Berlin ; zum 75. Weihetag der St. Augustinuskirche am 16. Sept. 2003; 100 Jahre Gemeinde am 25. Okt. 2003, Berlin 2003; Christian Welzbacher, Die St. Augustinus-Kirche von Josef Bachem in Berlin 1927/28, Magisterarbeit, Freie Universität Berlin 1998/1999; Roland Jaeger (Hrsg.), Josef Bachem (Neue Werkkunst), Berlin [unver. Nachdr.] 2001; Pfarrarchiv (PfAr) St. Augustinus, Berlin-Prenzlauer Berg, Bauzeichnungen: Andere Bauvorschläge, Zeichnungen der Kirche, Plansammlung Pfarrarchiv St. Augustinus.
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